«So eine dramatische Lebensumstellung ist schwer zu bewältigen»
Herr Knecht, was geht Ihnen durch den Kopf angesichts der Meldung aus Rapperswil-jona?
Solche Filizid-suizide, also Kindstötungen mit anschliessender Selbsttötung, werden meist von Männern begangen. Als Faustregel gilt: Je älter das Kind, desto eher war es der Vater. Auf zwei Motive treffen wir dabei am häufigsten: ein
Rachemotiv oder das Gnademotiv. Das Rachemotiv ist statistisch wahrscheinlicher.
Was will ein Täter denn rächen? Ein Filizid-suizid ist ein äusserst destruktiver Akt. Der Täter zeigt, dass seine Familie unter diesen Umständen nicht mehr leben soll – oder dass sie es in Anbetracht massiver Konflikte in oder mit der
Familie nicht mehr verdient haben, am Leben zu sein.
Wie können die Mutter und die Tochter nun weiterleben?
Dies wird eine enorme Herausforderung: Eine derart dramatische Lebensumstellung ist als solche schon schwer zu bewältigen. Trauer um das verlorene Familienmitglied und Hassgefühle gegen den Täter kommen hinzu. In einigen Fällen spricht man sogar von Überlebensschuld; dies ist ein quälendes Gefühl von Ungerechtigkeit, weil man im Gegensatz zu den Opfern davongekommen ist. Thomas Knecht ist leitender Arzt der Forensischen Psychiatrie am Psychiatrischen Zentrum Appenzell Ausserrhoden.