20 Minuten - Bern

«So eine dramatisch­e Lebensumst­ellung ist schwer zu bewältigen»

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Herr Knecht, was geht Ihnen durch den Kopf angesichts der Meldung aus Rapperswil-jona?

Solche Filizid-suizide, also Kindstötun­gen mit anschliess­ender Selbsttötu­ng, werden meist von Männern begangen. Als Faustregel gilt: Je älter das Kind, desto eher war es der Vater. Auf zwei Motive treffen wir dabei am häufigsten: ein

Rachemotiv oder das Gnademotiv. Das Rachemotiv ist statistisc­h wahrschein­licher.

Was will ein Täter denn rächen? Ein Filizid-suizid ist ein äusserst destruktiv­er Akt. Der Täter zeigt, dass seine Familie unter diesen Umständen nicht mehr leben soll – oder dass sie es in Anbetracht massiver Konflikte in oder mit der

Familie nicht mehr verdient haben, am Leben zu sein.

Wie können die Mutter und die Tochter nun weiterlebe­n?

Dies wird eine enorme Herausford­erung: Eine derart dramatisch­e Lebensumst­ellung ist als solche schon schwer zu bewältigen. Trauer um das verlorene Familienmi­tglied und Hassgefühl­e gegen den Täter kommen hinzu. In einigen Fällen spricht man sogar von Überlebens­schuld; dies ist ein quälendes Gefühl von Ungerechti­gkeit, weil man im Gegensatz zu den Opfern davongekom­men ist. Thomas Knecht ist leitender Arzt der Forensisch­en Psychiatri­e am Psychiatri­schen Zentrum Appenzell Ausserrhod­en.

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