Verschwörungstheorien der Eltern setzen Kindern hart zu
ZÜRICH. Weil jemand aus der Familie den Covid-verschwörungstheorien verfallen ist, bitten vermehrt junge Menschen um Hilfe.
Unzählige Verschwörungstheorien ranken sich um das Coronavirus. Das macht sich nun auch bei kantonalen Fachstellen bemerkbar: «Wir stellen einen Anstieg von Anfragen fest, bei denen wir um Hilfe ersucht werden, weil Angehörige Verschwörungstheorien verfallen sind», sagt Serena Gut, Leiterin der Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention Winterthur. Sie schildert ein Beispiel: «Eine junge Frau meldete sich bei uns, ihre Schwiegereltern seien durch die Pandemie Verschwörungsmythen verfallen. Sie und ihre Familie würden vor Endzeitszenarien gewarnt. Inzwischen sei auch der einjährige Enkel teils verängstigt.»
Ähnliche Fälle hat auch Laurent Luks, Leiter der Fachstelle Radikalisierung und Gewaltprävention des Kantons Bern, schon erlebt. Und er vermutetet eine grosse Dunkelziffer solcher Fälle: «Bis sich jemand an uns wendet, braucht es viel. Dem geht ein langer und sehr belastender Prozess voraus.» Am Anfang stehe oft eine absolut legitime kritische Haltung den Massnahmen gegenüber. «In diesem Stadium sind Diskussionen auf sachlicher Ebene noch möglich.» Doch dann werde es schwieriger: «Ab dem Zeitpunkt, wo auch faktisch belegbare Argumente abgetan werden mit Verschwörungen, wo das Gegenüber einem sagt, man gehöre eben auch zu den Unwissenden, ist eine Diskussion kaum mehr möglich», so Luks.
Sehr schwierig wird es laut Luks, wenn ein Familienmitglied betroffen ist, das womöglich noch im selben Haushalt lebt: «Wenn die Mutter eines 16Jährigen in Verschwörungstheorien abdriftet, ist es oft nicht möglich, das Thema zu meiden, und schon gar nicht, den Kontakt abzubrechen.» Luks befürchtet, dass die Wunden, die in den Beziehungen durch solch radikale Ansichten geschlagen werden, in vielen Fällen auch nach Corona nicht einfach verschwinden werden: «Es bleiben Narben zurück, da wird es viel Beziehungsarbeit brauchen.»