«Ich wollte nie, dass sie stirbt»
Eine Frau setzte im Januar 2020 ihr Baby auf einem Entsorgungshof in Därstetten BE aus. Gestern stand die 44-Jährige vor dem Oberländer Regionalgericht. Das stark unterkühlte Kind überlebte nur knapp.
Dass sie schwanger sei, habe sie bis zur Geburt nicht bemerkt, gab die Beschuldigte an. «Oder vielleicht wollte ich es nicht wahrhaben.» So habe sie sich über die bevorstehende Geburt auch keine
Gedanken gemacht: «Hätte ich es getan, hätte ich sie dort nicht abgelegt.» Und sie sei davon ausgegangen, dass ihre Tochter schnell gefunden werde. «Ich wollte nie, dass sie stirbt. Wenn ich könnte, würde ich alles rückgängig machen», sagte sie unter Tränen.
Laut Anklage stammt das Kind aus einer Affäre. Ob dieser Umstand sie zur Tat verleitet hatte, konnte die Deutsche nicht beantworten. Sowohl dem Lebenspartner, der im
Mai 2019 in die Schweiz zurückkehrte, als auch ihrem Liebhaber verheimlichte sie die Schwangerschaft. Die Staatsanwältin wirft der Beschuldigten versuchte Kindstötung vor und fordert eine Freiheitsstrafe von 32 Monaten, 16 Monate davon unbedingt. Dass die Frau damit gerechnet habe, dass das ausgesetzte Kind gefunden werde, sei eine blosse Schutzbehauptung: «Sie hat den Tod des Neugeborenen offensichtlich in Kauf genommen.»
Der Verteidiger erkannte hingegen keinen Eventualvorsatz. Vielmehr habe sie nach der Geburt eine Erstversorgung vorgenommen, indem sie die Nabelschnur durchtrennt und das Kind eingewickelt habe. «Sie hat in einem ersten Schritt alles unternommen, um das Überleben des Kindes sicherzustellen», so der Anwalt. Er erachtet eine Freiheitsstrafe von acht Monaten als angemessen.