«Ein Betreuer zu sein, passte nicht zu meinem Männerbild»
ZÜRICH. Viele Männer, die in einem Frauenberuf arbeiten, schämen sich dafür. Betroffene erzählen.
R. S.*, der sich auf einen Aufruf von 20 Minuten gemeldet hat, ist aus dem Kanton Wallis. «Ich wollte mich nach Jahren als Elektriker beruflich neu orientieren. Mein Traum war es, in den Fachbereich Betreuung (Fabe) einzusteigen.» Doch dafür habe er sich geschämt, sagt der 32-Jährige. «Das passte nicht zu meinem Männerbild. Auch das Klischee, dass in diesem Beruf nur schwule Männer arbeiteten, machte mir zu schaffen.» Trotzdem habe er sich überwunden. «Zu Beginn erhielt ich von Männern schräge Blicke, doch mittlerweile reagieren fast alle positiv auf meinen Beruf.» Zudem könne er nun zu seiner künftigen Arbeit stehen.
Auch M. D.* hat seine Berufswahl in den letzten Monaten mehrmals hinterfragen müssen: «Wenn ich erzähle, dass ich Primarlehrer werden möchte, fragen mich viele, ob ich ein Pädophiler sei.» Viele hätten die Vorstellung, dass Berufe, in denen man mit Kindern arbeitet, reine
Frauenberufe seien, so D. Er appelliert daher an alle betroffenen Männer, sich nicht von Vorurteilen und Rollenbildern leiten zu lassen. «Die Scham habe ich schon lange hinter mir gelassen», sagt hingegen der 20-jährige J.K.* Bereits in der
Primarschule habe er Florist werden wollen, doch seine Eltern hätten das nicht zugelassen. «Mit einem Frauenberuf könne man keine Familie ernähren, sagte mein Vater immer. Dass ich schwul war und deshalb keine Familie haben woll
te, war für meine bibeltreuen Eltern ein zusätzlicher Schock.» Heute sei er glücklich, auch wenn er seinen einstigen Traumberuf nicht ausübe.
Dass sich viele Männer mit der Wahl eines Frauenberufs schwertun, bestätigt Markus Theunert vom Dachverband der Männer- und Väterorganisationen Männer.ch. «Ein Exot zu sein, ist vielen unangenehm. Man will ja einfach das machen, was einem am besten liegt.» Gleichzeitig sei es auch attraktiv, weil man als Mann in sozialen Berufen in der Regel ein begehrter Arbeitnehmer sei, so Theunert. «Für manche liegt auch der Reiz gerade darin, gegen den Strom zu schwimmen.» Damit mehr Männer in Sage-berufe (siehe Box rechts) einstiegen, brauche es deshalb Sensibilisierung und Aufklärung. Laut Theunert gehören aber auch eine bessere Bezahlung sowie mehr Anerkennung und Wertschätzung dazu.