Asylchaos droht – «Kantone müssen jetzt Zeit gut nutzen»
ZÜRICH. Im Herbst droht ein Asylchaos. Die Schweiz müsse jetzt handeln, fordern Experten.
Derzeit sind 56000 Schutzsuchende aus der Ukraine untergebracht. Knapp 40 000 davon bei Gastfamilien. Die Kantone gehen davon aus, dass im Sommer jeden Monat 4000 Ukrainerinnen und Ukrainer die Gastfamilien verlassen werden und neu untergebracht werden müssen. Gleichzeitig rechnet das Staatssekretariat für Migration (SEM) weiterhin mit bis zu 6000 Schutzsuchenden monatlich. Somit wären pro Monat je nach Entwicklung rund 10 000 Unterbringungsplätze nötig.
Im Sommer ist man laut SEM dafür noch gewappnet. Danach könnte es aber eng werden: «Die Kantone befürchten, dass sie im Herbst in einen Engpass bei der Unterbringung geraten», sagt Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK). Die Gründe dafür seien die Dauer des Konflikts, drohende Engpässe in der Energieversorgung und die tiefen Temperaturen. «Bis im Herbst müssen wir nach Lösungen suchen, wie wir den Schutzsuchenden gerecht werden können», sagt Szöllösy.
«Werden die Unterkünfte knapp, ist die Unterbringung in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen oder Bunkern kurzfristig möglich», sagt der deutsche Migrationsexperte Benjamin Schraven. Langfristig sei dies aber keine Lösung, da «viele eine posttraumatische Belastungsstörung aufweisen». Gerade diese bräuchten Zeit für sich in einer ruhigen Umgebung.
«Diese Privatsphäre können nur häusliche Unterkünfte bieten.»
Für die gemeinnützige Organisation Campax ist jetzt schon klar: Die Kantone müssten genau hinschauen. «Sie müssen alles nehmen, was sie kriegen können», sagt Geschäftsführer Andreas Freimüller. Gleichzeitig müssten sie mehr mit der Zivilbevölkerung in Kontakt treten, da es nach wie vor eine grosse Anzahl Menschen gebe, die helfen würden. «Was nicht passieren darf, ist, dass wir im Herbst unvorbereitet vor einem Problem stehen. Die Kantone müssen die Zeit jetzt gut nutzen.»