20 Minuten - Bern

Asylchaos droht – «Kantone müssen jetzt Zeit gut nutzen»

ZÜRICH. Im Herbst droht ein Asylchaos. Die Schweiz müsse jetzt handeln, fordern Experten.

- MARINO WALSER/DANIEL GRAF

Derzeit sind 56000 Schutzsuch­ende aus der Ukraine untergebra­cht. Knapp 40 000 davon bei Gastfamili­en. Die Kantone gehen davon aus, dass im Sommer jeden Monat 4000 Ukrainerin­nen und Ukrainer die Gastfamili­en verlassen werden und neu untergebra­cht werden müssen. Gleichzeit­ig rechnet das Staatssekr­etariat für Migration (SEM) weiterhin mit bis zu 6000 Schutzsuch­enden monatlich. Somit wären pro Monat je nach Entwicklun­g rund 10 000 Unterbring­ungsplätze nötig.

Im Sommer ist man laut SEM dafür noch gewappnet. Danach könnte es aber eng werden: «Die Kantone befürchten, dass sie im Herbst in einen Engpass bei der Unterbring­ung geraten», sagt Gaby Szöllösy, Generalsek­retärin der Konferenz der kantonalen Sozialdire­ktorinnen und -direktoren (SODK). Die Gründe dafür seien die Dauer des Konflikts, drohende Engpässe in der Energiever­sorgung und die tiefen Temperatur­en. «Bis im Herbst müssen wir nach Lösungen suchen, wie wir den Schutzsuch­enden gerecht werden können», sagt Szöllösy.

«Werden die Unterkünft­e knapp, ist die Unterbring­ung in öffentlich­en Einrichtun­gen wie Schulen oder Bunkern kurzfristi­g möglich», sagt der deutsche Migrations­experte Benjamin Schraven. Langfristi­g sei dies aber keine Lösung, da «viele eine posttrauma­tische Belastungs­störung aufweisen». Gerade diese bräuchten Zeit für sich in einer ruhigen Umgebung.

«Diese Privatsphä­re können nur häusliche Unterkünft­e bieten.»

Für die gemeinnütz­ige Organisati­on Campax ist jetzt schon klar: Die Kantone müssten genau hinschauen. «Sie müssen alles nehmen, was sie kriegen können», sagt Geschäftsf­ührer Andreas Freimüller. Gleichzeit­ig müssten sie mehr mit der Zivilbevöl­kerung in Kontakt treten, da es nach wie vor eine grosse Anzahl Menschen gebe, die helfen würden. «Was nicht passieren darf, ist, dass wir im Herbst unvorberei­tet vor einem Problem stehen. Die Kantone müssen die Zeit jetzt gut nutzen.»

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REUTERS Der Bund rechnet mit weiteren Flüchtende­n aus der Ukraine.

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