Massiv mehr junge Männer der Vergewaltigung beschuldigt
Die Jugendkriminalität in der Schweiz hat zugenommen. Ein Experte erklärt.
8578 Jugendurteile wurden 2021 aufgrund von Widerhandlungen gegen das Strafgesetzbuch ausgesprochen – 6,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Dieser Wert hat seit 2018 stark zugenommen (27,5 Prozent), der 2010 registrierte Spitzenwert wurde seither aber nicht mehr erreicht. Betrachtet man ausschliesslich die Gewaltstraftaten, ist eine ähnliche Tendenz auszumachen. Zwischen 2018 und 2021 sind sie um 37,2 Prozent gestiegen, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) gestern mitteilte.
Ein hoher Anstieg ist auch bei den Straftaten gegen die öffentliche Gewalt festzustellen. Diese haben seit 2018 um 66,5 Prozent zugenommen. «Hier spiegeln sich zwei Trends wider», sagt Dirk Baier, Leiter Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der ZHAW. Einerseits habe im Zuge der massnahmenkritischen Coronabewegung die Bereitschaft zugenommen, Polizisten und Polizistinnen verbal und teilweise auch physisch anzugreifen. Andererseits tolerieren Polizistinnen und Polizisten sogenannte Widerstandshandlungen oder Aggressionen gegen sich und die Kolleginnen und Kollegen weniger.
Ein Anstieg ist auch bei den strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität auszumachen. Die haben sich innerhalb von drei Jahren verdoppelt (2018: 419 Straftaten; 2021: 837). Dies lässt sich laut Baier unter anderem damit erklären, dass sexuell übergriffiges Verhalten aufgrund einer zunehmenden gesellschaftlichen Sensibilisierung häufiger zur Anzeige gebracht wird. Hinzu komme die Verbreitung von Pornografie. «Solche Delikte haben aufgrund der zunehmenden Nutzung von Social Media zugenommen», sagt Baier.
Laut Baier zeigt sich in den letzten Jahren auch eine Zunahme von jugendlichen Beschuldigten von Vergewaltigungen: Während 2015 schweizweit nur 28 unter 18Jährige des Begehens einer Vergewaltigung beschuldigt wurden, waren es 2021 bereits 94. «Anscheinend sind junge Männer heute häufiger bereit, Vergewaltigungen zu verüben», so Baier. Inwieweit sich dies unter anderem mit falschen Vorstellungen von Männlichkeit oder medialen Vorbildern erklären lässt, sei derzeit noch unklar.