Jüngere Menschen reden offener über ihre Löhne
ZÜRICH. Der Lohn sei in der Schweiz zwar immer noch ein Tabuthema, sagt die Hr-expertin Judith Oldekop, doch sie beobachtet auch, dass sich das in gewissen Bevölkerungskreisen ändert. Jüngere Leute hätten weniger Mühe, über den Lohn zu reden, sagt sie. Sie beobachtet auch, dass der Lohn bei dieser Altersgruppe an Stellenwert verliert gegenüber anderen Faktoren wie Stimmung im Team, Arbeits- und Organisationskultur. «Ich weiss von einer angehenden Lehrtochter, die sich für die Lehrstelle mit 300 Franken weniger Lohn im dritten Lehrjahr entschieden hat – aus dem Grund, dass die Leute dort netter sind.» 300 Franken Differenz – bei einem Lehrlingslohn von rund 1000 Franken. «Das zeigt, wie sehr der Lohn auf der Prioritätenliste nach unten gerückt ist», sagt Oldekop.
Nicht nur in der Schweiz, sondern allgemein im mitteleuropäischen Raum sei der Lohn ein Tabu, während in Skandinavien Transparenz herrsche. «In Schweden ist es normal, dass ich über meinen Nachbarn und Arbeitskollegen alles erfahren kann. Die sind damit aufgewachsen und haben kein Problem damit.»
Die Soziologin Katja Rost von der Universität Zürich sieht die Geheimnistuerei rund ums Geld in der Schweiz in einem grösseren Zusammenhang. Auch das Bankgeheimnis habe eine lange Tradition, sagte sie im Gespräch mit 20 Minuten. «Generell scheint es, dass, je leistungs- und arbeitsorientierter eine Gesellschaft ist, die Leute desto weniger über ihren Lohn sprechen.»
Betreffend Lohngleichheit dämpft Rost die Erwartungen. Allein durch Transparenz würden die Löhne nicht gerechter, sagt sie. Viel wichtiger sei die Frage, ob der Lohn dem Geleisteten entspreche.