«Die Schweiz steht nicht allein im Fokus»
ZÜRICH Völkerrechtsexperte Matthias Hartwig beantwortet nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EMGR) die wichtigsten Fragen.
Herr Hartwig, was bedeutet dieses Urteil?
Das Urteil macht weltweit Schlagzeilen. Es rückt den Klimaschutz weiter in den Fokus und stärkt ihn. Das Urteil ist international relevant, da jetzt auch andere europäische Staaten gesehen haben, dass sie für ihre Klimapolitik vor Gericht gebracht und verurteilt werden können. Was das Urteil konkret in der Schweiz bewegen wird, ist abzuwarten. Der
EGMR kann der Politik hierzulande nicht konkret vorschreiben, welche Massnahmen ergriffen werden müssen.
Ist das egmr-urteil denn nicht bindend?
Doch, das sind alle Urteile des EGMR. Heute wurde explizit festgestellt, dass die Schweiz Artikel 8 der Menschenrechtskonvention verletzt hat. Wie sie nun reagiert, ist aber ihr überlassen. Ich denke jedoch, dass der Staat einen neuen
Plan zur Reduktion der Co2emissionen erarbeiten wird.
Die schweiz ist gemäss Rankings nicht das Land, das am wenigsten macht für Klimaschutz. wieso wird sie gerügt?
Es gab schon andere Klagen zum Thema vor dem EGMR. Die Schweiz steht also nicht allein im Fokus – man muss sie aber loben: Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger sind aktiv geworden und haben sich für ihre Belange eingesetzt. In Deutschland hätte man noch mehr Grund zu klagen, doch die Schweizer waren aktiver.
Könnte dieses Urteil wegweisend sein und was bewirken?
Das Urteil schafft ein Bewusstsein dafür, dass Klimaschutz nicht einfach nur ein frommer Wunsch der Politik ist, sondern dass es um einen konkreten Schutz von Menschenrechten geht und damit gerichtlich einklagbar ist. Wahrscheinlich werden jetzt auch internationale und nationale Gerichte genauer hinschauen.
was bedeutet es für unsere Aussenwahrnehmung?
Die Schweiz steht als Verliererin da, weil gerichtlich festgestellt wurde, dass sie ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen ist.