20 Minuten - Bern

«Auf Tiktok werden schon 13-Jährige radikalisi­ert»

Die Terrororga­nisation Islamische­r Staat erreicht viele Minderjähr­ige – auch in der Schweiz.

- ANN GUENTER

Die Terrorgefa­hr in Europa hat in den letzten Jahren stark zugenommen. «Gerade der Isableger ISPK hat seit zwei, drei Jahren Netzwerke überall in Westeuropa», sagt Terrorexpe­rte Peter Neumann. «Er ist in der Lage, komplexere Anschläge wie in der Moskauer Konzerthal­le durchzufüh­ren.» Zusätzlich beobachten Terrorexpe­rten seit dem Gaza-krieg verstärkte Aktivitäte­n von Einzeltäte­rn oder kleinen Gruppen. «Genau das haben wir jetzt auch in der Schweiz gesehen: Teenager, die sich online radikalisi­eren, auf eigene

Faust handeln und nicht Teil von grossen Netzwerken sind», so Neumann, der generell von einer «unglaublic­h brodelnden Situation im islamistis­chen Lager» spricht. Der HamasAngri­ff auf Israel und die Konsolidie­rung des ISPK hätten in Europa massiv zur Verbreitun­g von Is-propaganda und einem starken Anstieg unter der Anhängersc­haft beigetrage­n, erklärt Terrorfors­cher Nicolas Stockhamme­r. «Der IS erreicht jetzt viel mehr Junge – gerade im DACH-RAUM, also in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz.»

Während der territoria­len Phase des IS (2014-2017) habe es die heutigen sozialen Netzwerke noch nicht gegeben, sagt die Freiburger Extremismu­sforscheri­n Géraldine Casutt. «Mittlerwei­le ist der Islamische Staat auf Gamingplat­tformen, Tiktok, Instagram, Facebook und X präsent. Dort stellt er Jugendlich­en Sinnwelten zur Verfügung, in denen sich Ideologie und Gewalt mischen.» Die Is-propaganda sei eigens auf die Teenager zugeschnit­ten und auf Deutsch aufbereite­t, mit vielen Einschüben von arabischen Wörtern, sagt Nicolas Stockhamme­r. «Derzeit werden auf Tiktok bereits 13-Jährige radikalisi­ert. Man kann damit sehr viele anlocken, wie mit einer Mausefalle», so Stockhamme­r. «Und dann lockt man solche Interessen­ten hinein in Telegram-gruppen, wo dann quasi noch verschärft und wirklich extremisti­sches Propaganda­material geteilt wird.» Heute sei der radikale Moscheepre­diger «von vor zehn Jahren ein Influencer im Internet», so Neumann.

Die Extremiste­n stellen in den sozialen Medien niederschw­ellige Einstiegsf­ormate für jihadistis­che Propaganda bereit, die aber jeweils unterhalb der Schwelle zur Strafbarke­it liegen.

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AP Verwüstung nach dem Terroransc­hlag auf den Weihnachts­markt in Berlin.

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