«Auf Tiktok werden schon 13-Jährige radikalisiert»
Die Terrororganisation Islamischer Staat erreicht viele Minderjährige – auch in der Schweiz.
Die Terrorgefahr in Europa hat in den letzten Jahren stark zugenommen. «Gerade der Isableger ISPK hat seit zwei, drei Jahren Netzwerke überall in Westeuropa», sagt Terrorexperte Peter Neumann. «Er ist in der Lage, komplexere Anschläge wie in der Moskauer Konzerthalle durchzuführen.» Zusätzlich beobachten Terrorexperten seit dem Gaza-krieg verstärkte Aktivitäten von Einzeltätern oder kleinen Gruppen. «Genau das haben wir jetzt auch in der Schweiz gesehen: Teenager, die sich online radikalisieren, auf eigene
Faust handeln und nicht Teil von grossen Netzwerken sind», so Neumann, der generell von einer «unglaublich brodelnden Situation im islamistischen Lager» spricht. Der HamasAngriff auf Israel und die Konsolidierung des ISPK hätten in Europa massiv zur Verbreitung von Is-propaganda und einem starken Anstieg unter der Anhängerschaft beigetragen, erklärt Terrorforscher Nicolas Stockhammer. «Der IS erreicht jetzt viel mehr Junge – gerade im DACH-RAUM, also in Deutschland, Österreich und der Schweiz.»
Während der territorialen Phase des IS (2014-2017) habe es die heutigen sozialen Netzwerke noch nicht gegeben, sagt die Freiburger Extremismusforscherin Géraldine Casutt. «Mittlerweile ist der Islamische Staat auf Gamingplattformen, Tiktok, Instagram, Facebook und X präsent. Dort stellt er Jugendlichen Sinnwelten zur Verfügung, in denen sich Ideologie und Gewalt mischen.» Die Is-propaganda sei eigens auf die Teenager zugeschnitten und auf Deutsch aufbereitet, mit vielen Einschüben von arabischen Wörtern, sagt Nicolas Stockhammer. «Derzeit werden auf Tiktok bereits 13-Jährige radikalisiert. Man kann damit sehr viele anlocken, wie mit einer Mausefalle», so Stockhammer. «Und dann lockt man solche Interessenten hinein in Telegram-gruppen, wo dann quasi noch verschärft und wirklich extremistisches Propagandamaterial geteilt wird.» Heute sei der radikale Moscheeprediger «von vor zehn Jahren ein Influencer im Internet», so Neumann.
Die Extremisten stellen in den sozialen Medien niederschwellige Einstiegsformate für jihadistische Propaganda bereit, die aber jeweils unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit liegen.