20 Minuten - Deutschschweiz uberregional
«Täter versuchen, ihre Gutachter zu täuschen»
HERISAU. Fabrice Anthamatten wird nicht lebenslänglich verwahrt. Gutachter hätten Ängste, sagt ein Experte.
Fabrice Anthamatten wird nicht lebenslänglich verwahrt. Sind Sie überrascht?
Ich habe es erwartet. Es ist schwierig, eine lebenslange Unbehandelbarkeit zu prognostizieren.
Wie gross ist der Spielraum der Richter?
Sie haben immer das letzte Wort. Aber man kann ein Gutachten mit mehr oder weniger Gewissheit formulieren.
Haben die Gutachter Angst, eine Untherapierbarkeit zu diagnostizieren?
Ängste sind im Spiel, aber in beiden Richtungen. Es braucht Überwindung, zu empfehlen, einen Menschen nie mehr freizulassen und sozusagen lebendig zu begraben. Andererseits besteht bei einer milden Beurteilung die Gefahr einer Entlassung des Täters.
Wird deshalb so häufig die ordentliche Verwahrung angewendet?
Sie ist eine Möglichkeit, allen Standpunkten Rechnung zu tragen. Bei einer ordentlichen Verwahrung ist ja nicht gesagt, dass ein Täter jemals wieder freikommt.
Täter könnten die Psychiater manipulieren.
Ein Täter wird auf jeden Fall versuchen, den Gutachter zu täuschen. Täter wissen häufig, was Gutachter hören wollen, und reden ihnen nach dem Mund. Dieses Wissen eignen sich viele an.
Die Bilanz der Verwahrungsinitiative ist ernüchternd.
Bisher ist sie sicher nicht beeindruckend. Aber allein die Tatsache, dass man die lebenslängliche Verwahrung prüft, hat die Justiz gestärkt. Die Justiz hat wieder mehr Zähne. Die Rechtsprechung muss sich noch einspielen.
Thomas Knecht (59) leitet die forensische Psychiatrie am Kantonsspital Appenzell-Ausserrhoden und ist regelmässiger Gutachter.