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20-Minuten-Redaktorin muss im Irak flüchten
BAGDAD. Bei Protesten gegen die Regierung starben im Irak über 100 Demonstranten. Mittendrin: 20-MinutenRedaktorin Ann Guenter.
Ann, warum bist du im Irak?
Ich bin letzte Woche für eine Reportage nach Bagdad geflogen. Am Tag meiner Ankunft brachen die Unruhen aus, bald gingen Meldungen über die ersten Toten ein. Meine lokalen Kontaktpersonen rieten mir, das Hotel zu verlassen und mich auf das stark gesicherte Gelände der französischen Botschaft zu begeben. Ich folgte ihrem Rat.
Du bist eine hellhäutige, blonde Journalistin. Hattest du Angst?
Die dicken Mauern, der Stacheldraht und von Soldaten gesicherte Checkpoints auf dem Botschaftsgelände gaben mir ein Gefühl der Sicherheit.
Was fordern die Jugendlichen?
Der Irak ist durch seine Erdölvorkommen eigentlich reich, doch wegen der massiven Korruption hat die Bevölkerung davon nichts. Die Jugendlichen haben genug von der Armut und Perspektivlosigkeit.
Die Proteste sollen am Anfang friedlich gewesen sein.
Ja. Doch dann begann die Regierung, mit Gewalt gegen die Demonstranten vorzugehen. Journalisten beobachteten, wie Demonstranten in den Kopf geschossen wurde. Gemeinsam mit einem lokalen Reporter schloss ich mich den Demonstrierenden an. Die Jugendlichen zeigten mir Handyvideos, auf denen zu sehen ist, wie Demonstranten von Kugeln getroffen zusammensacken oder von Militärfahrzeugen überfahren wurden, auf ihrer Brust die Abdrücke von Reifen. Plötzlich drängten sich immer mehr Männer um mich, einige betatschten mich. Mein Begleiter meinte, er könne mich nicht mehr schützen. Mit einem Tuktuk fuhren wir davon.
Wo bist du im Moment?
Ich bin in der Kurdenhauptstadt Erbil. Hier ist es ruhig.
Die Regierung hat die Forderungen der Jugendlichen nun anerkannt. Wie geht es weiter?
Die Jugendlichen glauben den Zugeständnissen der Regierung nicht. Die Gewalt der Sicherheitskräfte, die weit mehr als 100 Tote und über 6000 Verletzte gefordert hat, facht ihre Wut weiter an.