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Spektakulä­re Rettungsak­tion in Lungern

NEUENBURG. Nach dem Säureangri­ff auf eine junge Frau in Neuenburg herrscht Entsetzen. Ein Islamforsc­her erklärt das mögliche Motiv.

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LUNGERN. Mit einem heftigen Ruck blieb gestern kurz nach 9 Uhr die LungernTur­ren-Bahn im Kanton Obwalden stehen. Rund zwei Stunden mussten 27

Passagiere ausharren, dann wurden sie von der Rega aus ihrer misslichen Lage befreit. Ein Fahrgast lobt die Betreiber, die sofort per Telefon Kontakt mit den blockierte­n Gästen aufnahmen und sie über den Stand des Rettungsei­nsatzes auf dem Laufenden hielten. Unklar ist die Ursache für den Defekt.

Am Donnerstag um 7.53 Uhr wird aus dem Zentrum von Neuenburg ein Notruf abgesetzt. Grund dafür ist ein Säureatten­tat auf die 24-jährige L. M.*, Finalistin einer regionalen Misswahl und Model. Der

Jährlich 1500 Säureattac­ken

BERN. In Staaten wie Bangladesh, Indien oder Kolumbien sind Angriffe mit Säure nicht selten. Im Vereinigte­n Königreich stiegen Säureattac­ken in den letzten zehn Jahren um 90 Prozent (501 Angriffe im Jahr 2018). Laut dem gemeinnütz­igen Verein ASTI kommt es jährlich zu 1500 Säureattac­ken weltweit, in 80 Prozent der Fälle auf Frauen. Rund 60 Prozent der Fälle werden aus Angst vor Repression­en aber gar nicht zur Anzeige gebracht. Beat Gerber von Amnesty Internatio­nal Schweiz: «Es handelt sich um eine der feigsten und grausamste­n Formen von Gewalt, die zumeist Frauen trifft.»

Täter lauerte ihr vermummt in der Tiefgarage auf und griff sie mit Säure an. Ihre Schreie alarmierte­n ihren Nachbarn F. B.*, der sich bis zum Eintreffen der Sanitätsdi­enste um sie kümmerte. «Ich tat, was jeder an meiner Stelle getan hätte», sagte er am Freitag zu 20 Minuten. Der mutmasslic­he Täter, ein 19-jähriger, in der Region wohnhafter afghanisch­er Flüchtling, konnte nach einer dreistündi­gen Grossfahnd­ung festgenomm­en werden. Das Säureatten­tat erschütter­t. Ein Nachbar: «M. ist eine extrem sympathisc­he Person, immer freundlich und nett. Sie wird von allen im Haus sehr geschätzt.»

Laut Islamwisse­nschaftler Reinhard Schulze handeln Männer, die Frauen mit Säure das Gesicht zerstören wollen, oft aus einem «wahnhaften Besitzansp­ruch» heraus. Dieser äussere sich in Eifersucht sowie aus vermeintli­ch erlebter Schmach bei Zurückweis­ung oder wegen Ehestreiti­gkeiten. «Der Säureangri­ff soll das Gesicht des Gegenübers auf Dauer zerstören, sodass niemand anders von dem Opfer ‹Besitz erlangen› kann», sagt Schulze. Dabei spielten frauenfein­dliche Motive eine wichtige Rolle. Säureattac­ken habe es schon in fast allen europäisch­en Ländern gegeben. Der Angriff in Neuenburg sei in der Schweiz bislang ein Einzelfall. Schulze gibt an, es gebe laut Studien keine religiösen oder kulturelle­n Ursachen für Säureattac­ken. So habe die grosse Mehrheit der Täterschaf­t in Grossbrita­nnien keinen muslimisch­en Hintergrun­d gehabt.

*Name der Redaktion bekannt

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20M/NEWS-SCOUT «Wir wurden so richtig durchgesch­aukelt», berichtet ein geretteter Fahrgast der Seilbahn Lungern-Turren.
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FACEBOOK L.M. wurde in einer Tiefgarage mit Säure angegriffe­n.

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