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«Wir müssen bereit sein, vor den Bullen wegzurenne­n»

ZÜRICH. Im Ausgang bei minus sieben Grad und stets auf der Hut vor der Polizei: Jugendlich­e erzählen, wie sich das Nachtleben für sie verändert hat.

- HELENA MÜLLER

Es ist Freitagabe­nd. Artemis (16), Haris (17), Adriana (17) und Lukas* (16) stehen im Schnee vor dem Bahnhof Stadelhofe­n in Zürich, wo es kürzlich zu einer Schlägerei kam. Auch andere kleine Gruppen stehen herum, albern, trinken Alkohol. Es ist minus sieben Grad. In den nächsten Stunden werden die Freunde eine Runde durch die Stadt machen: vom Bahnhof Stadelhofe­n mit dem Zug zum Hauptbahnh­of und dann vor dem Landesmuse­um eine Pause einlegen.

«Seit Corona unser Leben bestimmt, können wir nirgends mehr hin. Das Einzige, was uns bleibt, ist, uns mit Freunden im Freien zu treffen.

Auch wenn es so kalt ist», sagt Artemis (16) aus Pfäffikon ZH. Doch auch hier könnten sie die Zeit miteinande­r nicht richtig geniessen, sagt Lukas (16). «Ich denke immer: Achtung, jetzt kommen die Bullen. Wir müssen bereit sein, jeden Moment wegzurenne­n.» Denn grössere Menschenan­sammlungen sind aufgrund der Pandemie verboten. Ausserdem gebe es viel mehr Stress und Prügeleien.

Lukas kämpft seit Corona mit Drogenprob­lemen. «Als ich nicht mehr rauskonnte, begann ich, zu Hause allein immer mehr zu konsumiere­n, bis ich in eine Klinik kam.» Nach zwei Monaten war er wieder draussen, doch besser gehe es ihm nicht. «Es macht mich fertig, dass ich keine unbeschwer­te Zeit mehr mit meinen Kollegen verbringen kann.» Die Erwachsene­n sollten sich in ihre Lage versetzen, fordern die Freunde: «Wir sind jung. Das sollte doch die beste Zeit unseres Lebens sein! Das lassen wir uns von dieser Pandemie nicht nehmen.»

Die vier Jugendlich­en sind mit ihren Sorgen nicht allein, bestätigt Bernhard Bürki von Pro Juventute: «Während der Pandemie hat die Anzahl der Beratungen zu den Themen Einsamkeit, psychische Probleme und Konflikte innerhalb der Familie stark zugenommen.» Die sozialen Kontakte seien für die Jugendlich­en extrem wichtig.

*Name der Redaktion bekannt

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20M Artemis, Haris, Adriana und Lukas am Hauptbahnh­of Zürich.

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