20 Minuten - Deutschschweiz uberregional
Sollen Ungeimpfte Spital selber zahlen?
Wer sich nicht impfen lassen will, soll zur Verantwortung gezogen werden, fordern manche. Andere finden das absurd.
Die Impfquoten bleiben hinter den Erwartungen zurück – doch der Anteil der Delta-Variante steigt weiter an. Was tun, wenn Ungeimpfte in grosser Zahl auf den Intensivstationen landen? «Krankenkassen sollten Regress nehmen können», fordert ein Infektiologe. In der Politik setzt man lieber noch auf Überzeugung. Sonst müsse man auch ungesund Lebende zur Kasse bitten.
Ein renommierter Infektiologe, der anonym bleiben will, wünscht sich ein härteres Vorgehen gegen Ungeimpfte. Er sieht das Portemonnaie als das effektivste Mittel, wie er gegenüber 20 Minuten sagt: «Landen Ungeimpfte wegen Covid im Spital, sollen die Krankenkassen später Regress auf diese Personen nehmen können.» Es gebe keinen Grund dafür, dass Krankenkassen für eine «fahrlässig verbreitete Krankheit» aufkommen müssten. Später zieht er das Zitat zurück – aus Angst vor Morddrohungen. FDP-Nationalrat Philippe Nantermod würde nicht so weit gehen. «Dafür fehlt die gesetzliche Grundlage, das würde die Bevölkerung nicht verstehen», sagt der Gesundheitspolitiker. Doch im Fall eines erneuten Aufflammens der Pandemie fordert er eine stärkere Einschränkung der Freiheit von Nicht-Geimpften, etwa mit einem obligatorischen Impfzertifikat für den Restaurantbesuch. Gesundheitsökonom Simon Wieser sagt, dass ähnliche Diskussionen über eine mögliche Haftung immer wieder aufkommen. «Die Umsetzung aber wäre sehr komplex und macht wenig Sinn. Man müsste beispielsweise feststellen, aus welchen Gründen jemand von einer Impfung absieht. Manche Menschen haben beispielsweise psychische Leiden, die sie von einer Impfung abhalten.»
FDP-Nationalrat Marcel Dobler findet eine Bestrafung der Ungeimpften absurd. «Dann müsste man Rauchende und Übergewichtige auch zur Kasse bitten. Alkoholikerinnen und Alkoholiker sowieso.» Wenn sich Personen nicht impfen lassen würden und sich so dem Risiko einer Ansteckung aussetzen, sei das deren Verantwortung. «Sie bei einer Hospitalisierung jedoch dafür zu bestrafen, wäre Impfzwang und Freiheitsberaubung», so Dobler.
Virginie Masserey, Leiterin der Infektionskontrolle beim BAG, sagte gestern vor den Medien, es gehe darum, die Leute zum Impfen zu ermuntern. Mehr Druck aufsetzen will der Bund nicht, es bleibt bei der «starken Empfehlung».