«Anrufe gelten als übergriffig»
ZÜRICH. Mail mir, schreib mir per Whatsapp – aber ruf mich ja nicht an! Das Telefongespräch gerät zunehmend in Verruf.
«Nur fiese Menschen rufen an: Warum Millennials so ungern telefonieren» – unter diesem Titel erklärt eine junge Journalistin im Online-Magazin «Edition F», warum sie das Telefonieren hasst. Anrufe kämen ihr oft vor «wie ein Überfall aus dem Hinterhalt». Klingle das Telefon zur falschen Zeit, entwickle sie «latente Aggressio- nen». Das Telefonieren ist bei unter Dreissigjährigen zunehmend unbeliebt – das zeigt sich auch in der Schweiz: Im Media Use Index 2016 fungiert das Telefonieren bei den 14- bis 29-Jährigen nicht einmal mehr unter den Top 5 der Aktivitäten auf dem Smartphone.
«Anrufe werden von Millennials als unhöflich und übergriffig wahrgenommen», bestätigt Social-Media-Experte Philippe Wampfler. Dies, weil der Angerufene nicht aussuchen könne, wann er antworten will. Emotionale Angelegenheiten werden heute – mit Bildern und Videos unterstützt – auf Whatsapp oder Snapchat erörtert.
Mit dem Telefon verbinden deshalb viele eher Unangenehmes: dringende Notfälle, unerwünschtes Tele-Marketing und Anrufe des Chefs. An die Stelle von Telefonaten treten laut Wampfler vermehrt aufgezeichnete Sprachnachrichten: «Sie haben dieselbe Funktion wie Telefonate, folgen aber dem Gebot der Höflichkeit, da man sie zum gewünschten Zeitpunkt anhören kann.»