Sozialfall in der Familie: Grossvater muss zahlen
BERN. Wenn Verwandte von Sozialhilfebezügern für die Kosten aufkommen müssen, können sie sich kaum dagegen wehren. Unfair oder gerechtfertigt?
Ein Grossvater wird von seiner Wohngemeinde aufgefordert, seinem sozialhilfeabhängigen Enkel finanziell unter die Arme zu greifen, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete. Der Grund dafür ist die sogenannte Verwandtenunterstützungs- pflicht, die im Zivilgesetzbuch geregelt ist. Diese besagt, dass man gegenüber Angehörigen der direkten Familienlinie verpflichtet ist, sie finanziell zu unterstützen, sofern die Voraussetzungen gegeben sind. «Man muss in guten wirtschaftlichen Verhältnissen leben», sagt Walter Schmid, Sozialrechtexperte. Entscheidend ist einzig die finanzielle Situation des möglichen Unterstützers aus dem Familienkreis: «Ob sich die Verwandten mögen oder nicht, spielt keine Rolle», sagt Schmid weiter.
Die Pflicht hat laut Silvia Schenker einen positiven Effekt: «Da die Kosten im Sozialwesen die Gemeinden zurzeit stark belasten, ist es richtig, dass die Pflicht zum Tragen kommt», sagt die SP-Nationalrätin. Sebastian Frehner, SVPNationalrat, sieht einen weiteren Vorteil: «Wenn Sozialhilfeempfänger das Geld vom Staat bekommen, ist es anonym und einfach. Werden aber die Eltern zur Rechenschaft gezogen, wird es schwieriger», sagt er. Das könne für gewisse Sozialhilfebezüger ein Anstoss sein, etwas an ihrer Situation zu ändern.
Laut Konrad Graber sind von der Unterstützungspflicht vor allem Familien betroffen, in denen keine guten Kontakte gepflegt werden. «Besteht eine nahe Beziehung, unterstützt man sich automatisch in der Familie», meint der CVPStänderat.