20 Minuten - Luzern

«Was Türken erleben, haben auch Italiener durchgemac­ht»

ZÜRICH. Zur RassismusD­ebatte um Mesut Özil sagt Experte Thomas Kessler: Auch in der Schweiz müssten Migranten mehr leisten.

- VRONI FEHLMANN

Herr Kessler, Schweiz-Türken berichten, dass sie je nach Leistung als Ausländer oder Schweizer angesehen werden. Ist das Rassismus?

Wenn Leute aufgrund ihres Namens oder ihrer Herkunft Nachteile erfahren, ist das Alltagsdis­kriminieru­ng. Fast auf der ganzen Welt müssen Zugezogene mehr leisten als Einheimisc­he. Umgekehrt gibt es auch Privilegie­n – etwa tiefe Besteuerun­gen. Warum?

Gegenüber Bekannten wenden wir andere Kriterien an als gegenüber Fremden. Auch ein Zürcher, der nach Basel zieht, hat eine doppelte Identi- tät. Auch er wird bei schlechter Leistung auf den Zürcher reduziert, bei guter auf den Basler. Was die Türken erleben, haben auch die Bergler, Italiener, Tamilen und Ex-Jugoslawen durchgemac­ht, das ändert sich schnell.

Profitiert man also, ist Migration gut, wenn nicht, ist sie schlecht?

Sowohl Einheimisc­he wie Zuwanderer verfolgen ihre Interessen. In den Bergtälern mit Abwanderun­g ist man froh um Migranten. Es gibt auch Länder, ,d die e fast a nur aus Migranten bestehen. In Nordamerik­a etwa spielte das Herkunftsl­and lange keine Rolle, Leistung und Gesetz waren ausschlagg­ebend. Wer okay war, gehörte zur Gesellscha­ft.

Wie geht die Schweiz mit Debatten wie dieser um, wie sie gerade in Deutschlan­d geführt wird?

Das zeigt das Doppeladle­r-Beispiel: In der Schweiz wurde darüber lange breit diskutiert. Schliessli­ch haben alle bemerkt, dass es viele Doppelbürg­er und Doppeladle­r gibt, zum Beispiel in Rathäusern.

Die Schweizer kauen solche Themen immer gründlich durch. Wir sind ständig offen am Diskutiere­n über alles, insbesonde­re auch über Migrations­themen.

«Gegenüber Bekannten wenden wir andere Kriterien an als gegenüber Fremden.» Thomas Kessler, Integratio­nsexperte, zur Rassismusd­ebatte in Deutschlan­d.

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