«Was Türken erleben, haben auch Italiener durchgemacht»
ZÜRICH. Zur RassismusDebatte um Mesut Özil sagt Experte Thomas Kessler: Auch in der Schweiz müssten Migranten mehr leisten.
Herr Kessler, Schweiz-Türken berichten, dass sie je nach Leistung als Ausländer oder Schweizer angesehen werden. Ist das Rassismus?
Wenn Leute aufgrund ihres Namens oder ihrer Herkunft Nachteile erfahren, ist das Alltagsdiskriminierung. Fast auf der ganzen Welt müssen Zugezogene mehr leisten als Einheimische. Umgekehrt gibt es auch Privilegien – etwa tiefe Besteuerungen. Warum?
Gegenüber Bekannten wenden wir andere Kriterien an als gegenüber Fremden. Auch ein Zürcher, der nach Basel zieht, hat eine doppelte Identi- tät. Auch er wird bei schlechter Leistung auf den Zürcher reduziert, bei guter auf den Basler. Was die Türken erleben, haben auch die Bergler, Italiener, Tamilen und Ex-Jugoslawen durchgemacht, das ändert sich schnell.
Profitiert man also, ist Migration gut, wenn nicht, ist sie schlecht?
Sowohl Einheimische wie Zuwanderer verfolgen ihre Interessen. In den Bergtälern mit Abwanderung ist man froh um Migranten. Es gibt auch Länder, ,d die e fast a nur aus Migranten bestehen. In Nordamerika etwa spielte das Herkunftsland lange keine Rolle, Leistung und Gesetz waren ausschlaggebend. Wer okay war, gehörte zur Gesellschaft.
Wie geht die Schweiz mit Debatten wie dieser um, wie sie gerade in Deutschland geführt wird?
Das zeigt das Doppeladler-Beispiel: In der Schweiz wurde darüber lange breit diskutiert. Schliesslich haben alle bemerkt, dass es viele Doppelbürger und Doppeladler gibt, zum Beispiel in Rathäusern.
Die Schweizer kauen solche Themen immer gründlich durch. Wir sind ständig offen am Diskutieren über alles, insbesondere auch über Migrationsthemen.
«Gegenüber Bekannten wenden wir andere Kriterien an als gegenüber Fremden.» Thomas Kessler, Integrationsexperte, zur Rassismusdebatte in Deutschland.