Schweizerin musste aus Nicaragua fliehen
MANAGUA. Unter dramatischen Umständen floh eine Schweizerin aus Nicaragua. Ihr wurde nachgesagt, eine CIAAgentin zu sein.
Eigentlich wollte die damals 28-jährige Zentralamerika-Spezialistin im Norden des Landes Konfliktforschung betreiben – und geriet dabei in die Proteste gegen die Regierung Ortega, die bis heute Menschenrechtsorganisationen zufolge mehr als 500 Menschen das Leben gekostet haben. «Ich wurde von Anfang an eingeschüchtert. Polizisten einer Spezialeinheit verfolgten mich und riefen mir Vergewaltigungsdrohungen zu. Alle hatten Angst, mit mir zu sprechen. Wer es trotzdem tat, wurde bedroht.» Um sich zu erholen, flog die Doktorandin zu ihrem Freund in die USA.
Spätabends am 17. April 2018 landete sie wieder in Managua und erlebte am nächsten Tag zusammen mit den Gastgebern ihres Airbnb mit, wie die ersten Rentner und Studenten gegen die Rentenreform von Präsident Ortega demonstrierten. Die Polizei war gnadenlos: «Alte Menschen mit blutenden Wunden am Kopf – das fuhr uns allen sehr ein.» Bald schoss die Polizei mit scharfer Munition auf die Protestierenden. «Die ganze Nacht hörten wir Schüsse von Maschinengewehren.»
Innert kurzer Zeit weiteten sich die Demonstrationen im Land aus, sodass die Schaffhauserin die Hauptstadt nicht mehr verlassen konnte. Doch auch ihren Gastgebern wurde es zu riskant, die Schweizerin zu beherbergen. «Ein Nachbar hatte gehört, wie ich am Telefon Englisch sprach, und gesagt, es sei ja allgemein bekannt, dass ausländische CIA-Agenten hinter den Unruhen ständen.
Als Weisse, die eben erst aus den USA eingereist war, stand ich plötzlich unter Generalverdacht.» Es gelang ihr, den letzten Platz in einer Maschine nach Miami zu ergattern. Auf die Rückbank eines Taxis geduckt, bretterte Samira Marty am 21. April 2018 durch zerstörte und menschenleere Strassen zum Flughafen Managua. Am Steuer sass ein Sicherheitsmann mit geladener Waffe. Es seien die längsten 40 Minuten ihres Lebens gewesen – und eine Fahrt, die sie von einem Moment auf den anderen in Sicherheit gebracht habe.