«Eltern brauchen einen Schuldigen, um ihren Schmerz auszulagern»
MADRID. Julen (2) fiel in ein tiefes Bohrloch und ist noch nicht geborgen. Fragen an den KrisenInterventionsspezialisten Herbert Wyss.
Herr Wyss, was machen Julens Eltern durch?
Ihre Situation ist furchtbar. Sie sind völlig machtlos und können nichts tun, damit ihr Kind geborgen wird. Gleichzeitig sind sie hin- und hergerissen zwischen Trauer und Hoffnung.
Die Eltern sind wütend auf die Retter, ärgern sich, dass die Bergung so lange dauert.
Das ist typisch. Sie brauchen einen Schuldigen. Ihre Situation ist so unerträglich, sie müssen ihren Schmerz irgendwie auslagern.
Was ist mit Schuldgefühlen?
Auch das ist häufig. Oder dass sich das Paar verkracht, dass die Mutter dem Vater etwa vorwirft, er habe zu wenig gut auf den Kleinen geschaut. Aber soweit ich das beurteilen kann, ist das Geschehene hier ein tragischer Unfall.
Die Eltern harren an der Unglücksstelle aus, obwohl ihnen das Einsatzteam davon abrät. Es überrascht mich nicht, dass sie nicht wegwollen. Ich finde, das ist zu respektieren. Alles, was ihnen hilft in dieser Situation, hat Priorität. Wäre ich dort im Einsatz, würde ich versuchen, ihnen einen Wohnwagen zu organisieren, der nicht unmittelbar beim Unglücksloch liegt, um ihnen so auch Schutz zu sichern.
Dort könnte die Leiche des Kindes geborgen werden ... Genau. Es ist wichtig, dass die Eltern zu ihrem Kind können. In der Schweiz wäre es etwa möglich, dass ich das tote Kind noch vor den Eltern sehen würde. So kann ich ihnen schildern, was für ein Anblick sie erwartet.