Darum verprügeln sich Gangs für «Ghetto-Ehre»
SPREITENBACH. Im Shoppi Tivoli artete eine Massenschlägerei aus. Spreitenbacher und Dietiker erzählen, warum.
ZÜRICH. Hochhäuser und Gewerbezonen dominieren Dietikon und Spreitenbach. Die Arbeitslosenquote ist hoch, der Ausländeranteil auch. 30 Jugendliche kämpften am Sonntag um die Ehre der Städte. Wieso sind sie so stolz auf ihren Wohnort, dass sie dafür sogar zustechen? «Wir haben den schönsten Bahnhof. Und unser Zusammenhalt ist unglaublich stark», sagt ein Dietiker.
Triste Betonbauten prägen das Bild von Spreitenbach AG. In der 11000-Einwohner-Gemeinde gilt vor allem das LängackerQuartier als das Ghetto. Eine Multikulti-Gegend aus lauter Wohnblöcken. Gleich daneben liegt das Einkaufszentrum Shoppi Tivoli – seit Samstag bekannt für eine Massenschlägerei unter 30 Jugendlichen. Ein 15-Jähriger aus Dietikon ZH wurde dabei verletzt. Sein Kontrahent, ein 16-Jähriger aus Spreitenbach, hatte ihn mit einem Messer attackiert. Auslöser der Schlägerei soll ein Meme auf Snapchat gewesen sein, in dem es hiess, dass Spreitenbach die Bronx der Schweiz sei. Die Jugendlichen aus Spreitenbach sind stolz auf ihren Ort: «Der Zusammenhalt ist stark. Man schaut zueinander und hilft sich gegenseitig», sagt eine Gruppe von zwölfjährigen Mädchen. Solange man nicht provoziere, passiere nichts. Eine Provokation könne etwa sein, wenn man die Mutter eines anderen beleidige (siehe unten).
Weniger Hochhäuser, dafür die gleiche Trostlosigkeit wie in Spreitenbach: In der 27000-Ein-
wohner-Stadt Dietikon gilt der Bahnhof als der Treffpunkt der Jugendlichen. In der Nähe des Gefängnisses Limmattal verbringen sie ihre Freizeit. Adel El Bendari (42) arbeitet beim Brezelkönig am Bahnhof Dietikon: «Die Jugendlichen sind oft am Wochenende hier. Sie rauchen, saufen und randalieren. Auch Schlägereien sind keine Seltenheit.» Kürzlich habe er einen Jugendlichen ermahnt, nicht gegen die Tür der Toilette zu treten: «Dem war das egal. Die sind noch stolz auf ihre Taten.» Die Massenschlägerei in Spreitenbach habe ihn deshalb nicht verwundert: «Man hat so etwas erwartet. Irgendwann musste es ausarten.»