Das Pflegepersonal ist erschöpft wie noch nie
ZÜRICH. Das Pflegefachpersonal ist am Limit. Verbessere sich nichts, dann sei die Versorgungssicherheit nicht mehr voll gewährleistet, so eine Gewerkschafterin.
«Zwischen Oktober und Dezember häufte ich 60 Stunden Überzeit an», sagt Sarah Rimann (36), Pflegefachfrau im Spitalzentrum Biel. Dank ihres 50-Prozent-Pensums reiche die Energie noch. Mitarbeitende mit höheren Pensen seien hingegen ausgelaugt. «Sie sind gereizter und brauchen immer längere Erholungszeiten.» Auch Elvira Wiegers, Zentralsekretärin Gesundheit des VPOD, sagt: «Das Personal läuft auf dem Zahnfleisch, seit sehr lange.»
Spitäler bestätigen, dass sich das Personal noch nicht erholt hat. «Auch am USZ ist die Ermüdung und Erschöpfung der Mitarbeitenden in der Pflege zunehmend spürbar», so Martina Pletscher, Mediensprecherin des
Unispitals Zürich. Ähnlich klingt es beim Spital Schwyz. Epidemiologen schliessen wegen der Delta-Variante eine weitere Welle sowie eine Grippeepidemie im Herbst nicht aus. Ihr Spital rechne mit einer weiteren Flut an Covid-Patienten, was beim Personal Angst auslöse, sagt Rimann. «Wir fragen uns, wie wir eine weitere Welle noch stemmen können, ohne dass alle Mitarbeitenden davonlaufen.»
Mit der Pandemie erhält die Pflegeinitiative des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und -fachmänner, die am 28. November vors Volk kommt, neue Brisanz. Laut dieser braucht es genügend Pflegefachpersonen auf den Stationen,
was zu weniger Komplikationen, Kosten und Erschöpfung bei den Pflegenden führe. Die Arbeitsbedingungen zu verbessern sei ein langer Prozess, das verstehe das Personal, sagt Wiegers. «Was es aber jetzt unbedingt braucht, ist die Zusicherung, dass die seit Langem bestehenden Probleme endlich verbindlich angegangen werden.» Denn: Tausende Stellen seien bereits unbesetzt. Der Personalmangel führe regelmässig zu Schliessungen von Betten. «Je länger wir zuwarten, desto mehr Personen steigen aus dem Beruf aus und desto länger haben wir das Problem, die Versorgungssicherheit nicht mehr voll gewährleisten zu können.» *Name der Redaktion bekannt