Hörte keiner das Handy des Zürcher Tramtoten?
ZÜRICH. Sein toter Vater fuhr stundenlang in einem Tram: Nun erzählt David De Sando Details dazu.
KONTROVERS Bald zwei Wochen ist es her, dass der 64-jährige Pietrantonio De Sando in Zürich im 2er-Tram verstarb und mehr als sechs Stunden unbemerkt leblos weiterfuhr. Die Anteilnahme bei der Familie ist gross. «Wir erhalten viele Anrufe und Briefe – auch von Fremden», sagt Sohn David. Es sei schwierig loszulassen. «Das Ereignis ist uns noch sehr nah.» Mit etwas zeitlichem Abstand spricht De Sando nun öffentlich über Details. «Mein Vater ist pünktlich um 6.21 Uhr bei der Haltestelle Micafil ins Tram eingestiegen und nahm Platz auf einem Einersitz», sagt der 40-Jährige. Mit Anzug und
Hemd sei der Modemacher wie immer gut angezogen gewesen.
Beim Lochergut sei der Vater, der in Kalabrien aufgewachsen und vor über 40 Jahren in die Schweiz gekommen war, leicht eingeknickt. Das zeigte die Überwachungskamera. Dann habe er nach links und rechts geschaut. Nur Augenblicke später knickte er mit den Händen im Schoss erneut ein und blieb regungslos sitzen. De Sando: «Unser Trost ist, dass er nicht gelitten hat.» An der Haltestelle Paradeplatz wäre der 64-Jährige ausgestiegen. Er arbeitete für das Modehaus Gross Couture an der Bahnhofstrasse. Als er um 8.30 Uhr immer noch nicht im Geschäft war, meldete sich eine Mitarbeiterin beim Sohn. «Er hat in seinen über vierzig Jahren im Geschäft nie gefehlt», so der Sohn. Die Polizei habe daraufhin seine Wohnung kontrolliert, wo er allein lebte, und die Spitäler kontaktiert – erfolglos.
Vier Runden machte der leblose Körper im Tram, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt. Erst nach 13 Uhr wurde eine Pflegefachperson auf den Toten aufmerksam. Sie habe ihn zuerst angesprochen, den Puls gefühlt und bemerkt, dass sein Körper erkaltet war. «Ich konnte mit ihr telefonieren, das fand ich schön. Sie sagte, dass sie sofort bemerkt habe, dass etwas nicht stimmt. Es sehe anders aus, wenn jemand schläft», so De Sando. Die Frau informierte den Chauffeur, der einen Notruf absetzte. Auf dem Mobiltelefon des Toten waren letztlich vierzig verpasste Anrufe. «Der Klingelton war auf laut eingestellt.»