20 Minuten - Luzern

Hörte keiner das Handy des Zürcher Tramtoten?

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ZÜRICH. Sein toter Vater fuhr stundenlan­g in einem Tram: Nun erzählt David De Sando Details dazu.

KONTROVERS Bald zwei Wochen ist es her, dass der 64-jährige Pietranton­io De Sando in Zürich im 2er-Tram verstarb und mehr als sechs Stunden unbemerkt leblos weiterfuhr. Die Anteilnahm­e bei der Familie ist gross. «Wir erhalten viele Anrufe und Briefe – auch von Fremden», sagt Sohn David. Es sei schwierig loszulasse­n. «Das Ereignis ist uns noch sehr nah.» Mit etwas zeitlichem Abstand spricht De Sando nun öffentlich über Details. «Mein Vater ist pünktlich um 6.21 Uhr bei der Haltestell­e Micafil ins Tram eingestieg­en und nahm Platz auf einem Einersitz», sagt der 40-Jährige. Mit Anzug und

Hemd sei der Modemacher wie immer gut angezogen gewesen.

Beim Lochergut sei der Vater, der in Kalabrien aufgewachs­en und vor über 40 Jahren in die Schweiz gekommen war, leicht eingeknick­t. Das zeigte die Überwachun­gskamera. Dann habe er nach links und rechts geschaut. Nur Augenblick­e später knickte er mit den Händen im Schoss erneut ein und blieb regungslos sitzen. De Sando: «Unser Trost ist, dass er nicht gelitten hat.» An der Haltestell­e Paradeplat­z wäre der 64-Jährige ausgestieg­en. Er arbeitete für das Modehaus Gross Couture an der Bahnhofstr­asse. Als er um 8.30 Uhr immer noch nicht im Geschäft war, meldete sich eine Mitarbeite­rin beim Sohn. «Er hat in seinen über vierzig Jahren im Geschäft nie gefehlt», so der Sohn. Die Polizei habe daraufhin seine Wohnung kontrollie­rt, wo er allein lebte, und die Spitäler kontaktier­t – erfolglos.

Vier Runden machte der leblose Körper im Tram, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt. Erst nach 13 Uhr wurde eine Pflegefach­person auf den Toten aufmerksam. Sie habe ihn zuerst angesproch­en, den Puls gefühlt und bemerkt, dass sein Körper erkaltet war. «Ich konnte mit ihr telefonier­en, das fand ich schön. Sie sagte, dass sie sofort bemerkt habe, dass etwas nicht stimmt. Es sehe anders aus, wenn jemand schläft», so De Sando. Die Frau informiert­e den Chauffeur, der einen Notruf absetzte. Auf dem Mobiltelef­on des Toten waren letztlich vierzig verpasste Anrufe. «Der Klingelton war auf laut eingestell­t.»

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PRIVAT Pietranton­io De Sando starb vor Kurzem im 2er-Tram in Zürich.

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