Wo sollen Zertifikate obligatorisch werden?
ZÜRICH. Die Spannungen zwischen Geimpften und Ungeimpften nehmen zu. Sozialwissenschaftler Marko Kovic rät zu einem konstruktiven Dialog.
KONTROVERS Noch diese Woche könnte die Zahl der täglichen Corona-Fälle die 1000erMarke knacken. Gleichzeitig sinkt die Impfnachfrage. Der Druck auf Ungeimpfte steigt. Zur Debatte stehen auch Forderungen, mit dem Covid-Zertifikat Ungeimpfte von Geimpften zu trennen. Einige Geimpfte fühlen sich dadurch bestätigt. Ungeimpfte hingegen fühlen sich diskriminiert.
Sozialwissenschaftler Marko Kovic bestätigt, dass die Spannungen zwischen Geimpften und Ungeimpften zugenommen hätten. Aufgrund der stagnierenden Impfquote hätten immer mehr Geimpfte den Eindruck, dass die Impfunwilligen die Pandemie und die Massnahmen unnötig in die Länge zögen. Ungeimpfte fühlten sich dagegen zu Unrecht beschuldigt und unter Druck gesetzt. Rational gesehen würde es laut Kovic Sinn machen, Geimpfte von den Massnahmen zu befreien und Ungeimpfte einzuschränken. In der Praxis sei dies jedoch nicht umsetzbar, da eine solche Trennung auf emotionaler und symbolischer Ebene sehr heikel sei – die Folge wäre eine Zweiklassengesellschaft.
«Kann jemand am Mittag nicht mehr mit seinen Gspänli zusammensitzen, weil er nicht geimpft ist, würde dies die Person beleidigen und sehr verletzen», sagt Kovic. In der Folge könne es bei Ungeimpften zu Radikalisierungen kommen. «Die Solidarität in der Gesellschaft darf nicht an der Impfung scheitern», sagt der Sozialwissenschaftler.
Geimpfte sollten mehr Bescheidenheit und Verständnis an den Tag legen. Kovic hält für wichtig, dass Geimpfte mit Ungeimpften den Dialog suchen und ihnen nicht den Eindruck vermitteln, ausgegrenzt zu werden. «Anstatt mehr über die anderen zu reden, sollten wir mehr mit den anderen reden.» Sinnvoll sei etwa, impfskeptischen Personen Argumente für die Impfung aufzuzeigen.