«Jeder ukrainische Sieg bringt uns dem Frieden näher»
Die Gegenoffensive der Ukraine wirkt: Russland zieht seine Truppen aus der strategisch wichtigen Stadt Cherson ab.
Russland hat den Rückzug seiner Truppen westlich des Flusses Dnipro angeordnet. Das teilte Verteidigungsminister Sergei Schoigu am Mittwoch mit. Russlandexperte Alexander Dubowy ordnet die Lage ein.
Herr Dubowy, was hat der Rückzug der Russen in einem annektierten Gebiet der Russen zu bedeuten?
Alexander Dubowy: Es handelt sich dabei um einen taktischen Rückzug. Cherson war die einzige Provinzhauptstadt, die Russland einnehmen konnte. Dass sie sich nun aus der Stadt zurückziehen, ist eine sehr herbe Niederlage.
Ist das ein Wendepunkt im Krieg?
Nein, ein Wendepunkt ist es nicht. Es zeigt aber, dass die Ukraine eine erfolgreiche Gegenoffensive führt.
Muss die Ukraine mit einem schweren Gegenschlag rechnen?
Es ist immer wieder die Rede davon, dass Moskau den Kachowka-staudamm oberhalb von Cherson sprengt. Die Folgen wären verheerend, mehr als 80 Wohnorte könnten überflutet werden. Auch bezieht das Kernkraftwerk Saporischschja Kühlwasser aus dem Staudamm. Ob Russland diesen Schritt auch wagt, ist allerdings unsicher.
Weshalb?
Es wäre zu offensichtlich, wer daran Schuld hätte, und würde auf internationaler Ebene scharf kritisiert werden. Experten sagen, dass die Erfolge der Ukraine eine Eskalationsspirale mit sich bringen würden. Das halte ich für falsch. Selbst bei oberflächlicher Betrachtung kann diese Argumentation kaum nachvollzogen werden. Denn Russland gesteht offensichtlich die militärische Niederlage in diesem Gebiet ein. Dadurch werden faire Friedensverhandlungen zunehmend wahrscheinlicher. Je weiter die Ukraine vorrückt, desto besser stehen die Chancen für Frieden. Was meinen Sie mit fairen Friedensverhandlungen?
Damit es eine ehrliche Verhandlung gibt, bedarf es der militärischen und finanziellen Stärkung der Ukraine durch den Westen.