«Die Schweiz hat fast keine Reserven mehr»
BERN. Schweden bereitet seine Bevölkerung auf den Ernstfall vor. Schweizer hingegen wüssten zu wenig, sagt ein Experte.
Herr Vautravers, wieso informiert Schweden mit einer Broschüre über das Verhalten im Krieg?
2015 gab es eine Übung der russischen Luftwaffe. Zwei Tupolew sollten einen Angriff auf Stockholm simulieren. Die schwedische Armee bemerkte das, war aber nicht in der Lage, Abfangjäger zu starten. Sie realisierte, dass es nicht möglich wäre, die Bevölkerung gegen einen solchen Angriff zu schützen.
Was geschah dann?
Die Wehrpflicht wurde wieder eingeführt, die Broschüre gedruckt und grosse Übungen durchgeführt. Die Anzahl Kampfverbände wird erhöht. Was kann die Schweiz daraus lernen?
Sie ist nicht viel weiter weg von Russland als Schweden. Alle haben Interesse an einem stabilen Europa. Einzige Garantie dafür ist eine Balance der Stärke der russischen und europäischen Streitkräfte.
Investiert die Schweiz genug?
In den letzten Jahren erhöhten viele europäische Staaten ihre Verteidigungsbudgets. Die vom Parlament beschlossenen zusätzlichen 1,4 Prozent sind im Vergleich gering.
Wie gut sind unsere Infrastrukturen geschützt?
Die Schweiz ist sehr gut aufgestellt. Sie hat einen strategischen Plan. Auch Cyberan griffe werden ernst genommen.
Wo gibt es Mängel?
Die wirtschaftliche Landesversorgung ist ein grosses Thema. Bis 1990 hatte die Schweiz grosse strategische Reserven wie Essen oder Treibstoff. Diese bestehen fast nicht mehr.
Weiss die Bevölkerung genug?
Die Information ist da. Aber nicht alle nehmen sich Zeit dafür. Wann haben Sie diese Themen zum letzten Mal in einer Zeitschrift oder am Fernsehen gesehen? Aber: Schon im Kalten Krieg gab es viele, die nicht wussten, wo der nächste Schutzraum liegt.
Alexandre Vautravers ist Sicherheitsexperte an der Universität Genf.