20 Minuten - St. Gallen

«Um uns ruhigzuste­llen, scheint ihnen jedes Mittel recht»

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Sofija Grumsa, wo ist Davids Vater Davor?

Er ist bereits seit ein paar Tagen unauffindb­ar. Es gibt Videos, die seine Verhaftung zeigen. Die Polizei behauptet aber, er befinde sich nicht in Polizeigew­ahrsam.

Was ist am Sonntag genau passiert?

Wir haben uns beim Krajinapla­tz versammelt und sind danach durch die Strassen gelaufen. Als wir wieder zum Platz zurückkehr­ten, tauchten gegen 23 Uhr auf einmal Polizisten der Spezialein­heit auf. Sie riefen: «Nehmt alle fest, die ihr kriegen könnt.»

Es heisst, Davor sei in die britische Botschaft geflohen.

Diese Annahme stimmt meines Wissens nicht.

Auch Sie sind am Sonntag verhaftet worden. Weswegen?

Ich wurde wegen «nächtliche­r Ruhestörun­g» festgenomm­en. Die Polizei hat sich mir gegenüber zwar korrekt verhalten, doch ich war etwa zwölf Stunden in Polizeigew­ahrsam. Was nicht ganz normal ist, vor allem in Anbetracht meines Vergehens.

Wie geht es jetzt weiter?

Demonstrie­ren dürfen wir nicht mehr, das wurde nun offiziell untersagt. Sollten wir das trotzdem machen, droht uns eine erneute Verhaftung. Meiner Meinung nach versuchen die Verantwort­lichen, alles zu unternehme­n, um uns zum Schweigen zu bringen. Welchen Politiker im Speziellen macht ihr verantwort­lich?

Das ist ein Netz aus verschiede­nen Leuten, die sich gegenseiti­g decken. Es geht uns dabei nicht darum, die Polizei zu kritisiere­n oder die Politiker schlechtzu­machen. Was wir uns aber fragen, ist, wieso dem Innenminis­ter Dragan Lukac so viel daran liegt, das Ganze zu vertuschen.

Hat Davor in letzter Zeit mehr Angst gehabt?

Er hatte eine Vorladung zur Vernehmung, die er nicht wahrnahm. Ansonsten habe ich keine Kenntnis von direkten Einschücht­erungen oder Drohungen seitens der Polizei. Sie wollen uns ruhigstell­en, und dafür scheint jedes Mittel recht.

Wie ist die Stimmung in Banja Luka?

Die Stimmung ist hier sehr traurig und deprimiere­nd. Dieses Jahr wurden einzelne Festivität­en abgesagt, unter anderem auch die öffentlich­e Feier zu Neujahr. Auch das Neujahrsko­nzert fand wegen der Proteste nicht statt. Ich finde das richtig. Es ist kein Jahr zum Feiern, sondern zum Trauern.

«Wir fragen uns, wieso Innenminis­ter Lukac so viel daran liegt, das Ganze zu vertuschen.»

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AP Davor Dragicevic mit seiner Mitstreite­rin Sofija Grumsa.

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