«Hörbücher können das Vorlesen nicht ersetzen»
ZÜRICH. Einst als sinnlos verpönt, wird Vorlesen heute angepriesen – aus gutem Grund.
Frau Jakob, warum ist Vorlesen so wichtig?
Es sorgt dafür, dass schon die Kleinsten erleben, dass Lesen etwas Spannendes ist. Wer das weiss, will es immer wieder.
Wie vermittelt man den Spass am Lesen am besten?
Indem man selbst Freude daran und Interesse am Zuhörer hat. Vorlesen funktioniert stark auf der Beziehungsebene.
Was heisst das?
Es gibt verschiedene Arten des Vorlesens: das klassische, bei dem man Kindern unkommentiert vorliest. Beim dialogischen dagegen entdecken Vorleser und Zuhörer eine Geschichte gemeinsam. Das Kind wird selbst sprachlich aktiv. Beide Arten sind wichtig.
Wofür?
Für die Fantasieentwicklung, das Vorstellungsvermögen und auch die emotionale Entwicklung. All das plus die sprachliche Herausforderung ist eine kognitive Herausforderung. Dadurch werden Kinder in vielen Bereichen aktiviert.
Kann ein Film das Vorlesen ersetzen?
Nur beschränkt. Ein Film oder ein Hörbuch interagiert nicht mit dem Publikum. Man kann alles zwar unterbrechen und mit einer anderen Person sprechen, aber das ist alles viel künstlicher als etwas, was sich aus dem Vorlesen ergibt. Sollte man auf Hoch- oder Schweizerdeutsch vorlesen? Dabei sollte man sich von den Kindern leiten lassen. Oft sind gerade jüngere bereit, Schriftsprache zu hören, weil sie gemerkt haben, dass die Grossen sie öfter benutzen. Das wollen sie dann auch. Die Angst der Erwachsenen, dass die Kleinen das nicht verstehen, ist in der Regel unbegründet.