«Das BAG muss spezifischer mit den Jungen kommunizieren»
Herr Brunner, die Corona-massnahmen gelten für uns alle. Warum haben aber viele junge Menschen Mühe damit?
Für einen 18-Jährigen kann sich ein Sommer ohne Open Airs und Partys schon so anfühlen, als würde er seiner Jugend beraubt. Junge Menschen suchen die Gemeinschaft – das gehört zur Jugend. Sie wollen die Welt entdecken. Doch die Corona-massnahmen verhindern dies nun.
Wieso aber sollen die Einschränkungen die Jungen härter treffen als Erwachsene?
Junge Menschen konstruieren ihr Selbstbild über die Interaktion mit anderen. Konkret: Sie machen sich für den Ausgang oder die Schule hübsch. Dieses «sehen und gesehen werden» ist Teil ihres Selbstwerts. Die Massnahmen erschweren diesen Teil.
Erklärt das die Wut, von der die Jungen oft reden?
Ja, unter anderem. Denn all das, was für sie bis anhin normal und auch wichtig für die Entwicklung war, wie eine stürmische Umarmung zur
Begrüssung, Handshakes oder das Teilen einer Flasche Bier, wird durch die Massnahmen nun als etwas Gefährliches eingestuft.
Was würde ihnen helfen?
Sie müssen den Sinn der Beschränkungen verstehen. Die Aussage «Befolgt die Massnahmen, damit ihr andere schützt» reicht da nicht.
Sondern?
Man muss einen Bezug zu ihnen selbst herstellen. Also: Befolgt die Massnahmen, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird und auch ihr bei Bedarf medizinisch versorgt werden würdet.
Sollte das BAG die Massnahmen besser erklären?
Es sollte spezifischer mit der jungen Zielgruppe kommunizieren, ja. Die Piktogramme und Pressekonferenzen sind gut, aber die Jugendlichen werden damit zu wenig erreicht.
Thomas Brunner ist
Leiter Beratung bei
Pro Juventute.