20 Minuten - St. Gallen

«Ich bin seit zwei Jahren mit einem Us-häftling zusammen»

SCHWYZ. Anina (27) und Matthew (35) führen eine besondere Beziehung, denn Matthew sitzt in den USA eine lange Haftstrafe ab.

- JULIA ULLRICH

«Eigentlich wollte ich nur mein Englisch verbessern und habe einen Gesprächsp­artner gesucht. Dabei bin ich auf eine Website gestossen, auf der sich Häftlinge in den USA mit Steckbrief und Bild als Brieffreun­de vorstellen. Dort habe ich Matthew gesehen und ihm sogleich geschriebe­n. Es ging mir nicht darum, mich an jemanden aus dem Gefängnis ranzumache­n – unsere Beziehung hat sich einfach so ergeben. Mittlerwei­le sind wir seit knapp zwei Jahren zusammen und mein Gefühl sagt mir, dass es in Richtung der grossen Liebe geht.

Leider können wir uns nur selten treffen. Dreimal habe ich ihn bisher im Gefängnis in Virginia besucht. Wenn ich bei ihm bin, dürfen wir uns zwei Tage je sechs Stunden lang sehen. In dieser Zeit reden wir ununterbro­chen – über Gott und die Welt. Küssen und umarmen dürfen wir uns nur zur Begrüssung und zum Abschied. Mehr ist zwischen uns noch nie passiert. Natürlich vermisse ich die körperlich­e Nähe, Streicheln, Sex. Darauf freue ich mich in der Zukunft sehr. Eigentlich zweifle ich nicht an unserer Beziehung. Aber diesen Frühling wurde es plötzlich schwierig.

Matthew hat sich seltsam verhalten, konnte die Realität nicht mehr klar sehen und wandte sich gegen mich. Ich habe das nicht verstanden. Als bei ihm eine bipolare Störung diagnostiz­iert wurde, war mir klar, dass das der Grund für sein Verhalten war. Eine Trennung steht deswegen aber ausser Frage: Ich liebe ihn immer noch. Er ist zwar krank, aber das ist kein Grund, ihn zu verlassen.

Im Gegenteil: Wir schmieden gern Pläne für unsere Zukunft, also die Zeit nach seiner Entlassung. Ich will erst einmal in die USA ziehen und dort zusammen mit ihm leben. Das soll aber nicht für immer sein. Er möchte sehr gern in die Schweiz kommen, und darüber freue ich mich.

Natürlich habe ich auch Angst vor der Veränderun­g, die seine Entlassung mit sich bringt. Mir ist schon bewusst, dass nicht alles immer super werden wird, es ist ja nie alles super. Auch für ihn wird es nicht einfach, da er nach dem Haftende aus der Struktur gerissen wird, in der er 15 Jahre gelebt hatte. Trotzdem muss ich es einfach wagen: Ich bin sicher, würde ich es nicht probieren, würde ich das später bereuen!»

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PRIVAT Anina zu Besuch im Gefängnis: Die Kleidung, die Matthew trägt, ist Vorschrift.
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PRIVAT Anina hat Matthew bisher schon dreimal im Gefängnis in Virginia besucht.

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