«Viele Kinder können nicht mehr ohne ihre Eltern sein»
ZÜRICH. In Lagern wollen viele Kinder wegen Heimweh nach Hause. Ein Psychologe schätzt ein.
In den letzten Monaten fanden wieder mehr Schul und Sportlager statt, nicht zur Freude aller Kinder. Der deutsche Bildungsreporter Bent Freiwald, der in seiner Freizeit auch als Lagerleiter arbeitet, berichtet auf Twitter von einer Zunahme von Heimweh bei Kindern und Jugendlichen seit der CoronaPandemie.
«Ich weiss von Lagerleitern und leiterinnen, dass Kinder und Jugendliche derzeit vermehrt unter Heimweh leiden», sagt auch der Kinder und Jugendpsychologe Felix Hof. Einige seien deswegen nach Hause geschickt worden. Auch bei seiner täglichen Arbeit mit seinen jungen Patienten und Patientinnen stelle er diese Tendenz fest. «Die Verlustängste beginnen bei vielen Kindern bereits vor der Fahrt ins Lager. Sie bemühen sich darum, gar nicht ins Lager zu müssen.»
Auch wenn einzelne Kinder schon früher unter Heimweh gelitten hätten, verzeichne man derzeit eine Häufung der Fälle. «Ich würde das Phänomen als auffällig, aber noch nicht als problematisch bezeichnen.» Die Ursachen dafür sieht er unter anderem bei der Pandemie. «Der Lockdown und das Homeschooling hatten einschneidende Folgen beim Sozialverhalten und bei der Sozialkompetenz der Kinder», sagt Hof. Sie seien in ihrer Entwicklung zurückgeworfen worden und müssten nun wichtige Entwicklungsschritte nachholen. «In der Therapie erzählen mir Kinder, dass sie gar nicht wüssten, wie sie mit ihren Gspänli umgehen könnten oder sollten», sagt Hof. Viele seien unsicher und fühlten sich im Alltag überfordert. Viele könnten nicht mehr ohne die Eltern sein.
«Es ist eine Tendenz zu vermehrtem Heimweh erkennbar», sagt auch Daniel Kachel, Präsident Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürich. Für viele Kinder und Jugendliche sei es seit der Pandemie entweder das
erste Lager überhaupt oder das erste Lager seit langem, an dem sie teilnehmen könnten. «Für sie ist es eine aussergewöhnliche Situation. Dabei ist eine Unsicherheit bei Kindern und Jugendlichen spürbar.»