20 Minuten - St. Gallen

«Kinder lernen, dass Gewalt dazugehört»

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Frau Alge, werden vermehrt auch junge Kinder gewalttäti­g?

Ja, das zeigt auch die Kriminalst­atistik. Dazu stellt man fest, dass sie nicht nur jünger werden, sondern vermehrt auch zu heftigerer Gewalt greifen – also etwa Waffen einsetzen.

warum?

Das weiss man noch nicht genau. Gut erforscht sind hingegen die Faktoren, die überhaupt dazu führen, dass ein Kind gewalttäti­g werden kann: etwa wenn das Kind zu Hause häusliche Gewalt erlebt oder die Schulhausa­tmosphäre schlecht ist. Und: Wenn es in einer Gruppierun­g oder einem System wie der Schule erst einmal mit der Gewalt losgeht und nicht rechtzeiti­g reagiert wird, hat das einen «ansteckend­en» Effekt. Die Kinder lernen, dass Gewalt dazugehört. Warum ein Kind aber letztlich zu Gewalt greift, muss in jedem Fall individuel­l untersucht werden.

Gibt es weitere Faktoren, die die aktuelle entwicklun­g ankurbeln?

Kinder spiegeln oftmals die erwachsene Gesellscha­ft – und derzeit bekriegen sich die Erwachsene­n in weiten Teilen der Welt. Es wäre naiv, zu glauben, dass Kinder das nicht durch die Nachrichte­n, sozialen Medien oder Gespräche mitbekomme­n – nicht zuletzt deshalb, weil viele von ihnen etwa mit ukrainisch­en Geflüchtet­en zur Schule gehen. Gewalt ist derzeit im Alltag omnipräsen­t.

sind die schulen ausreichen­d darauf vorbereite­t?

Nein. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele überforder­t sind. Die Schulen wollen es gut machen, aber in Sachen Prävention läuft zu wenig. Es fehlen gute Schutzkonz­epte. Ich habe teilweise mit Schulen zu tun, die nur alle drei Jahre einen Prävention­sworkshop buchen. Das bringt rein gar nichts.

wie wäre es denn richtig?

Prävention muss permanent passieren. Dabei müssen alle Player miteinbezo­gen werden – von der Schulleitu­ng über die Lehrperson­en, die Kinder bis hin zu den Eltern. Sonst sind die Prävention­smassnahme­n zu isoliert – und greifen nach dem Verlassen des Klassenzim­mers nicht mehr.

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20min/m. Scherrer Monika egli-alge, forensisch­e Psychologi­n.

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