«Kinder lernen, dass Gewalt dazugehört»
Frau Alge, werden vermehrt auch junge Kinder gewalttätig?
Ja, das zeigt auch die Kriminalstatistik. Dazu stellt man fest, dass sie nicht nur jünger werden, sondern vermehrt auch zu heftigerer Gewalt greifen – also etwa Waffen einsetzen.
warum?
Das weiss man noch nicht genau. Gut erforscht sind hingegen die Faktoren, die überhaupt dazu führen, dass ein Kind gewalttätig werden kann: etwa wenn das Kind zu Hause häusliche Gewalt erlebt oder die Schulhausatmosphäre schlecht ist. Und: Wenn es in einer Gruppierung oder einem System wie der Schule erst einmal mit der Gewalt losgeht und nicht rechtzeitig reagiert wird, hat das einen «ansteckenden» Effekt. Die Kinder lernen, dass Gewalt dazugehört. Warum ein Kind aber letztlich zu Gewalt greift, muss in jedem Fall individuell untersucht werden.
Gibt es weitere Faktoren, die die aktuelle entwicklung ankurbeln?
Kinder spiegeln oftmals die erwachsene Gesellschaft – und derzeit bekriegen sich die Erwachsenen in weiten Teilen der Welt. Es wäre naiv, zu glauben, dass Kinder das nicht durch die Nachrichten, sozialen Medien oder Gespräche mitbekommen – nicht zuletzt deshalb, weil viele von ihnen etwa mit ukrainischen Geflüchteten zur Schule gehen. Gewalt ist derzeit im Alltag omnipräsent.
sind die schulen ausreichend darauf vorbereitet?
Nein. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele überfordert sind. Die Schulen wollen es gut machen, aber in Sachen Prävention läuft zu wenig. Es fehlen gute Schutzkonzepte. Ich habe teilweise mit Schulen zu tun, die nur alle drei Jahre einen Präventionsworkshop buchen. Das bringt rein gar nichts.
wie wäre es denn richtig?
Prävention muss permanent passieren. Dabei müssen alle Player miteinbezogen werden – von der Schulleitung über die Lehrpersonen, die Kinder bis hin zu den Eltern. Sonst sind die Präventionsmassnahmen zu isoliert – und greifen nach dem Verlassen des Klassenzimmers nicht mehr.