Gericht erhöht Strafe für den HB-Zugschubser
ZÜRICH. Eine Frau wurde im HB von einem Zug überrollt, weil sie geschubst wurde. Der Fall wurde nun vor Obergericht verhandelt.
Es passierte frühmorgens im Dezember 2015. Es kam zu einem verbalen Streit zwischen einer heute 32-jährigen Frau und einem 35-jährigen Mann beim Gleis 43 im Zürcher HB. Sie kannten sich nicht, waren stark betrunken und hatten beide Drogen konsumiert. Die Frau beruhigte sich schnell, der Mann hingegen nicht – er suchte weiter ihre Nähe. Schliesslich ging sie genervt auf ihn zu und erhob ihre Hand. Er stiess sie mit grosser Wucht weg. Die Frau fiel in die Lücke zwischen dem abfahrenden Zug und dem Perron, wurde von der S-Bahn überrollt und verlor den linken Unterarm.
In erster Instanz hatte das Bezirksgericht den Mann zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten sowie einer Genugtuung für die Frau in Höhe von 120 000 Franken verurteilt. Weder die Staatsanwaltschaft noch die Verteidigung waren zufrieden damit und zogen das Urteil weiter. Gestern Nachmittag wurde der Fall vor dem Zürcher Obergericht verhandelt. Der Beschuldigte, der nicht vorbestraft ist, sagte, er habe den
Zug nicht wahrgenommen: «Es liegt mir fern, jemanden so schwer zu verletzen – es tut mir fürchterlich leid.» Den Grund für den Streit wusste er aber nicht mehr.
Der Richter sprach bei der Urteilseröffnung von einem «tragischen Lehrstück nach einer durchzechten Nacht, bei dem aus völlig nichtigem Anlass mit fatalsten Folgen nur Verlierer zurückbleiben». Das Urteil: 5,5 Jahre Gefängnis und 80000 Fr. Genugtuung für die Frau. «Es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass der Stoss nicht noch mehr Schaden anrichtete.» Der Beschuldigte habe den möglichen Tod der Frau in Kauf genommen.