Psychologe: «Esoterik ist in erster Linie Marketing»
ZÜRICH. Die als neue Uriella gehandelte Christina von Dreien begeistert Massen. Das sagt ein Experte dazu.
Herr Fischler, wie schätzen Sie Christina von Dreien ein?
Aus esoterischer Sicht könnte man sie ein Indigo-Kind nennen. Das sind Kinder, denen spirituelle Fähigkeiten angedichtet werden.
Was macht uns für Leute wie Christina von Dreien empfänglich?
Der esoterische Bewusstseinszustand gleicht einem Rausch- zustand. Es geht um die Wiederverzauberung der Welt. In Anbetracht der heutigen Verbotskultur in unserer Gesellschaft ist das natürlich attraktiv.
Hat sich die Esoterik in den letzten Jahren verändert?
Ja, heute haben wir es mit einem Multi-GuruMovement zu tun. Die Gurus denken unternehmerisch und reden ihren Anhängern ein, jeder sei fähig, entsprechende Gaben wie Hellsichtigkeit zu entwickeln. Ist das gefährlich?
Im esoterischen Milieu gilt das Kindchenschema als neuer Sollzustand: Erwachsene, die mit «Engelsenergien» und «Einhornessenzen» die Welt retten wollen oder ganz selbstverständlich beim Universum bestellen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir uns dieser Welt nicht mehr als erwachsene Person stellen müssen. Deshalb: gefährlich – ja, individuell, aber auch für die Gesellschaft.
Sind viele Esoteriker nicht einfach geschickte Geschäftsleute?
Esoterik ist in erster Linie Marketing. Intelligentes Marketing schafft sich Nischen. So verhält es sich meiner Meinung nach auch mit der Esoterik. Jeder Mensch hat emotionale Bedürfnisse und ist manipulierbar. Esoterische Zirkel bedienen sich dabei gern der Strategie der Gedankenkontrolle. Johannes Fischler ist Psychologe und Autor des Buchs «New Age – Esoterik 2.0. Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt!».