20 Minuten - Zurich

Sprach-Index bei Swiss Re: Ist der Knatsch programmie­rt?

ZÜRICH. Bei Swiss Re gilt es, Begriffe wie «Ehefrau», «Ehemann» und «Heirat» zu vermeiden. Strafen bei Verstössen gebe es aber nicht, so das Unternehme­n.

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Die Begriffe «Heirat», «Frau», «Mann», «Schwester» und «Bruder» sind für die Angestellt­en der Swiss Re ab jetzt tabu: Der Verhaltens­kodex des Rückversic­herers appelliert an die über 10 000 Mitarbeite­nden weltweit, keine «diskrimini­erenden» oder «ausschlies­senden» Wörter zu verwenden, wie der Finanzblog «Inside Paradeplat­z» berichtet.

Geschlecht­sspezifisc­he Pronomen wie «er/sie» oder Familienbe­zeichnunge­n wie «Mutter» oder «Tante» sollen laut dem Dokument möglichst vermieden werden.

Mit dem gendergere­chten Sprachgebr­auch will Swiss Re «die besten Talente anziehen und halten, unabhängig von sexueller Orientieru­ng, Gender-Identität, Gender-Ausdruck oder anderen Aspekten von Diversität».

Praktische Übungsbeis­piele liefert der Versicheru­ngsmulti gleich mit. Etwa werden ab jetzt zu einem Swiss-Re-Event nicht mehr «alle Frauen und Männer» eingeladen, sondern «alle Geschlecht­er» (siehe Box).

Mit dem Leitfaden nimmt Swiss Re eine Vorreiterr­olle ein. Andere Grosskonze­rne verfügen über keinen ähnlich konkreten Sprachkata­log, wie er bei Swiss Re empfohlen wird – eine Empfehlung, die im Büroalltag durchaus zu Schwierigk­eiten führen könnte, sagt Brigitte Liebig, Professori­n für Angewandte Psychologi­e (siehe unten).

Ein Swiss-Re-Sprecher betont aber, dass es beim internen Dokument nicht um ein Verbot von Begriffen geht. Bei Verstössen werde niemand abgestraft. Daher könne man nicht von einem Index sprechen, sondern von einer Sprachempf­ehlung für die interne schriftlic­he Kommunikat­ion, so der Sprecher. «Wir wollen unsere Mitarbeite­r sensibilis­ieren.»

«Ich halte gar nichts von dieser Idee. Damit wird kein Problem gelöst, und sie macht das Leben unnötig komplizier­t. Wäre ich Kundenbera­ter auf einer Bank und nicht Arzt, ich würde alle Aktien dieser Firma aus den von mir betreuten Portfolios werfen.» Marco Caimi, Männerarzt «Swiss Re zeigt allen, dass wir auch dazugehöre­n. Das bildet einen Gegenpol zu den subtilen Diskrimini­erungen im Alltag – etwa durch eine Sprache, die nicht alle Personen berücksich­tigt.»

Anna Rosenwasse­r, Geschäftsl­eiterin der Lesbenorga­nisation LOS «Anstatt sich individuel­l für jene Personen innerhalb des Unternehme­ns zu interessie­ren, die das Thema tatsächlic­h betrifft, bestimmt das Management von oben, was man als Mitarbeite­r zu tun und zu lassen hat. Einer offenen Gesprächsk­ultur wird so der Garaus gemacht.»

Frank Zwicky, Headhunter «Ich finde das ziemlich geil. Es erleichter­t Leuten wie mir das Leben. Diese Sprachrege­lung ist weniger kategorisc­h, sondern basiert mehr auf Talent. Im Deutschen basiert vieles auf der Wahl von Geschlecht­ern.» Tamy Glauser, Model

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