Sprach-Index bei Swiss Re: Ist der Knatsch programmiert?
ZÜRICH. Bei Swiss Re gilt es, Begriffe wie «Ehefrau», «Ehemann» und «Heirat» zu vermeiden. Strafen bei Verstössen gebe es aber nicht, so das Unternehmen.
Die Begriffe «Heirat», «Frau», «Mann», «Schwester» und «Bruder» sind für die Angestellten der Swiss Re ab jetzt tabu: Der Verhaltenskodex des Rückversicherers appelliert an die über 10 000 Mitarbeitenden weltweit, keine «diskriminierenden» oder «ausschliessenden» Wörter zu verwenden, wie der Finanzblog «Inside Paradeplatz» berichtet.
Geschlechtsspezifische Pronomen wie «er/sie» oder Familienbezeichnungen wie «Mutter» oder «Tante» sollen laut dem Dokument möglichst vermieden werden.
Mit dem gendergerechten Sprachgebrauch will Swiss Re «die besten Talente anziehen und halten, unabhängig von sexueller Orientierung, Gender-Identität, Gender-Ausdruck oder anderen Aspekten von Diversität».
Praktische Übungsbeispiele liefert der Versicherungsmulti gleich mit. Etwa werden ab jetzt zu einem Swiss-Re-Event nicht mehr «alle Frauen und Männer» eingeladen, sondern «alle Geschlechter» (siehe Box).
Mit dem Leitfaden nimmt Swiss Re eine Vorreiterrolle ein. Andere Grosskonzerne verfügen über keinen ähnlich konkreten Sprachkatalog, wie er bei Swiss Re empfohlen wird – eine Empfehlung, die im Büroalltag durchaus zu Schwierigkeiten führen könnte, sagt Brigitte Liebig, Professorin für Angewandte Psychologie (siehe unten).
Ein Swiss-Re-Sprecher betont aber, dass es beim internen Dokument nicht um ein Verbot von Begriffen geht. Bei Verstössen werde niemand abgestraft. Daher könne man nicht von einem Index sprechen, sondern von einer Sprachempfehlung für die interne schriftliche Kommunikation, so der Sprecher. «Wir wollen unsere Mitarbeiter sensibilisieren.»
«Ich halte gar nichts von dieser Idee. Damit wird kein Problem gelöst, und sie macht das Leben unnötig kompliziert. Wäre ich Kundenberater auf einer Bank und nicht Arzt, ich würde alle Aktien dieser Firma aus den von mir betreuten Portfolios werfen.» Marco Caimi, Männerarzt «Swiss Re zeigt allen, dass wir auch dazugehören. Das bildet einen Gegenpol zu den subtilen Diskriminierungen im Alltag – etwa durch eine Sprache, die nicht alle Personen berücksichtigt.»
Anna Rosenwasser, Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation LOS «Anstatt sich individuell für jene Personen innerhalb des Unternehmens zu interessieren, die das Thema tatsächlich betrifft, bestimmt das Management von oben, was man als Mitarbeiter zu tun und zu lassen hat. Einer offenen Gesprächskultur wird so der Garaus gemacht.»
Frank Zwicky, Headhunter «Ich finde das ziemlich geil. Es erleichtert Leuten wie mir das Leben. Diese Sprachregelung ist weniger kategorisch, sondern basiert mehr auf Talent. Im Deutschen basiert vieles auf der Wahl von Geschlechtern.» Tamy Glauser, Model