Dürften Totschläger aus der EU in der Schweiz bleiben?
BERN. Übernähme die Schweiz die Unionsbürgerrichtlinie, erschwerte das die Ausschaffung krimineller EU-Bürger. Das zeigt ein Fall aus England.
Die Unionsbürgerrichtlinie ist ein Knackpunkt im Rahmenvertrag mit der EU – dabei wird die Richtlinie im Entwurf gar nicht erwähnt. Brüssel könnte von der Schweiz aber deren Übernahme verlangen. Die Folgen: ein Ausbau der Sozialhilfe für EU-Bürger in der Schweiz, zudem würde die Ausweisung krimineller EU-Bürger verkompliziert. Das bestätigte Bundesrätin Karin Keller-Sutter diese Woche: Für bestimmte Unionsbürger kämen restriktivere Kriterien für eine Ausweisung zur Anwendung, sagte sie.
Wie weit die Richtlinie Unionsbürger vor einer Abschiebung schützt, zeigt ein Fall aus England: Der EU-Gerichtshof stoppte 2018 die Abschiebung eines Italieners. Dieser lebte 15 Jahre lang in Grossbritannien und war wegen Totschlags zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Zwar knüpft schon das heutige Freizügigkeitsabkommen eine Ausweisung an Bedingungen. In der Schweiz wurden 2017 aber rund 280 Landesverweise gegen EU-Bürger ausgesprochen. Ausgewiesen werden viele Kriminaltouristen oder Personen, die sich illegal in der Schweiz aufhielten, etwa aus Rumänien. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi warnt: «Ziel der EU ist, dass alle EU-Bürger gleichgestellt sind. Müsste die Schweiz die Unionsbürgerrichtlinie übernehmen, könnte sie keinen EUBürger mehr ausschaffen, ausser vielleicht einen Terroristen.»
Für Fabian Molina (SP) ist das «Wahlkampfgetöse»: Die Rechtsfolgen einer Übernahme der Richtlinie seien unklar: «Ob die Schweiz die jetzige Ausschaffungspraxis ändern müsste, hängt von den Verhandlungen ab.» Laut Molina sollte die Schweiz die Richtlinie ohnehin übernehmen. Sie bringe Arbeitern aus der EU mehr soziale Sicherheit.