Gelten Menschenrechte nicht für Terroristen?
BERN. Das Parlament will IS-Anhänger auch in Folterländer ausschaffen. Kritiker warnen, die Schweiz mache sich damit zum «Folterknecht».
Das Parlament will verurteilte IS-Anhänger auch dann ausschaffen, wenn ihnen Folter oder Tod droht. Bisher scheiterte die Ausschaffung etwa der Schaffhauser IS-Zelle in den Irak daran. «Nach all den Anschlägen haben wir die Schnauze voll», sagt CVP-Nationalrat Fabio Regazzi. Das Parlament werfe «zwingendes Völkerrecht über Bord», warnt Amnesty International.
Ausländer, die wegen Taten im Zusammenhang mit dem IS verurteilt wurden, sollen künftig auch in Länder ausgeschafft werden, in denen ihnen Folter oder die Todesstrafe drohen. Nach dem Nationalrat hat gestern auch der Ständerat einer entsprechenden Motion von CVP-Nationalrat Fabio Regazzi zugestimmt.
Wer sich dem IS anschliesse, müsse damit rechnen, dass er ausgeschafft werden könne – auch wenn er dabei sein Leben riskiere, sagt Regazzi. Die Sicherheit des Landes sei wichtiger als das Non-Refoulement-Prinzip, das Ausschaffungen in Länder verbietet, in denen eine unmenschliche Behandlung droht. Dass beide Räte seiner Motion zustimmten, könne einem Umdenken geschuldet sein: «Nach all den Anschlägen haben wir die Schnauze voll», sagt Regazzi. Er habe die Motion eingereicht, nachdem Anhänger der Schaffhauser IS-Zelle nicht hätten ausgeschafft werden können. Dazu gehört etwa Osamah M. Der Iraker lebt nach dem Verbüssen einer Freiheitsstrafe von der Sozialhilfe (siehe unten).
Beat Gerber von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sagt, wenn die Motion wortgetreu umgesetzt werde, mache sich die Schweiz zum «Handlanger von Folterknechten». Ein zivilisiertes Land müsse sich aber an das Völkerrecht halten. «Es gibt ein paar letzte Rechte, die auch Terroristen haben.»
Der Bundesrat werde ein entsprechendes Gesetz aber weder durchsetzen können noch wollen, so Gerber. «Für ein bisschen Symbolik ist das Parlament bereit, elementare Rechtsgrundsätze über Bord zu werfen.» Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) hatte sich vergeblich gegen die Motion gestellt. Sie versprach gestern, dass die Schweiz im Fall der Schaffhauser Zelle «nahe» an einer Lösung sei, die etwa die Ausschaffung in einen Drittstaat oder diplomatische Zusicherungen des Irak beinhalten könnte.
«Für ein bisschen Symbolik ist das Parlament bereit, elementare Rechtsgrundsätze über Bord zu werfen.»
Beat Gerber, Amnesty International