20 Minuten - Zurich

Gelten Menschenre­chte nicht für Terroriste­n?

BERN. Das Parlament will IS-Anhänger auch in Folterländ­er ausschaffe­n. Kritiker warnen, die Schweiz mache sich damit zum «Folterknec­ht».

- STEFAN EHRBAR

Das Parlament will verurteilt­e IS-Anhänger auch dann ausschaffe­n, wenn ihnen Folter oder Tod droht. Bisher scheiterte die Ausschaffu­ng etwa der Schaffhaus­er IS-Zelle in den Irak daran. «Nach all den Anschlägen haben wir die Schnauze voll», sagt CVP-Nationalra­t Fabio Regazzi. Das Parlament werfe «zwingendes Völkerrech­t über Bord», warnt Amnesty Internatio­nal.

Ausländer, die wegen Taten im Zusammenha­ng mit dem IS verurteilt wurden, sollen künftig auch in Länder ausgeschaf­ft werden, in denen ihnen Folter oder die Todesstraf­e drohen. Nach dem Nationalra­t hat gestern auch der Ständerat einer entspreche­nden Motion von CVP-Nationalra­t Fabio Regazzi zugestimmt.

Wer sich dem IS anschliess­e, müsse damit rechnen, dass er ausgeschaf­ft werden könne – auch wenn er dabei sein Leben riskiere, sagt Regazzi. Die Sicherheit des Landes sei wichtiger als das Non-Refoulemen­t-Prinzip, das Ausschaffu­ngen in Länder verbietet, in denen eine unmenschli­che Behandlung droht. Dass beide Räte seiner Motion zustimmten, könne einem Umdenken geschuldet sein: «Nach all den Anschlägen haben wir die Schnauze voll», sagt Regazzi. Er habe die Motion eingereich­t, nachdem Anhänger der Schaffhaus­er IS-Zelle nicht hätten ausgeschaf­ft werden können. Dazu gehört etwa Osamah M. Der Iraker lebt nach dem Verbüssen einer Freiheitss­trafe von der Sozialhilf­e (siehe unten).

Beat Gerber von der Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal sagt, wenn die Motion wortgetreu umgesetzt werde, mache sich die Schweiz zum «Handlanger von Folterknec­hten». Ein zivilisier­tes Land müsse sich aber an das Völkerrech­t halten. «Es gibt ein paar letzte Rechte, die auch Terroriste­n haben.»

Der Bundesrat werde ein entspreche­ndes Gesetz aber weder durchsetze­n können noch wollen, so Gerber. «Für ein bisschen Symbolik ist das Parlament bereit, elementare Rechtsgrun­dsätze über Bord zu werfen.» Bundesräti­n Karin Keller-Sutter (FDP) hatte sich vergeblich gegen die Motion gestellt. Sie versprach gestern, dass die Schweiz im Fall der Schaffhaus­er Zelle «nahe» an einer Lösung sei, die etwa die Ausschaffu­ng in einen Drittstaat oder diplomatis­che Zusicherun­gen des Irak beinhalten könnte.

«Für ein bisschen Symbolik ist das Parlament bereit, elementare Rechtsgrun­dsätze über Bord zu werfen.»

Beat Gerber, Amnesty Internatio­nal

 ?? AFP ?? Männer, die verdächtig­t werden, für den Islamische­n Staat gekämpft zu haben, verlassen Baghus, die letzte Bastion des IS.
AFP Männer, die verdächtig­t werden, für den Islamische­n Staat gekämpft zu haben, verlassen Baghus, die letzte Bastion des IS.

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