20 Minuten - Zurich

Steigt Terrorgefa­hr mit Ende des IS-Kalifats?

Terrorexpe­rte Guido Steinberg erklärt, wieso der «Islamische Staat» (IS) auch für uns gefährlich bleibt.

- ANN GUENTER

Steigt mit dem Ende des IS-Kalifats in Syrien und im Irak die Terrorgefa­hr bei uns?

Um mit dem Positiven zu beginnen: Mit dem Verlust seines Territoriu­ms hat der IS viele Rekrutieru­ngsmöglich­keiten sowie die Möglichkei­t verloren, zentralisi­ert Attentäter auszubilde­n. Es ist aber nicht auszuschli­essen, dass der IS noch über Zellen verfügt, die das weiterhin können. Aber das haben wir lange nicht mehr gesehen. Insgesamt hat sich die Sicherheit­slage zumindest in Europa verbessert. Also geht vom IS keine erhöhte Gefahr mehr aus?

Leider doch, denn der IS hat sich auf diese Situation vorbereite­t – was uns mit der grossen Frage zurückläss­t: Wo sind die ganzen ausländisc­hen ISKämpfer geblieben? Auf dem Höhepunkt hatte die Organisati­on bis zu 40 000 Kämpfer unter Waffen. Wenn man sich einzelne Kontingent­e anschaut – etwa das der deutschen ISKämpfer –, dann ist auffällig, dass bei Hunderten unklar ist, wo sie sich aufhalten.

Zieht der IS einen Vorteil aus dem Ende seines «Kalifats»? Der Vorteil ist die Fragmentie­rung der Organisati­on: Sie ist jetzt weniger angreifbar. Weniger Rekrutieru­ngs- und Koordinati­onsmöglich­keiten – das klingt doch positiv.

Das grosse Aber ist: Wir wissen nicht, wo der IS noch überall unterwegs ist. Er hat eine derart multinatio­nale Truppe rekrutiert, dass es mich nicht wundern würde, wenn wir in den nächsten Monaten Kampfgebie­te entdeckten, die wir noch nicht auf dem Schirm hatten.

Und diese Kampfgebie­te könnten auch in Europa sein?

Ja. Alle Länder mit IS-Rückkehrer­n müssen jetzt sehr genau hinschauen, ob es weiterhin Strukturen gibt, die die Bekämpfung­smassnahme­n der letzten Jahre überlebt haben, oder ob Strukturen neu gebildet werden. Ich sehe es insgesamt positiv. Unsere Sicherheit­sbehörden sind nicht schlecht aufgestell­t. Aber es ist nie auszuschli­essen, dass sie einige Strukturen nicht entdecken.

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AP Der IS hat sein Territoriu­m verloren und ist weniger angreifbar, kann aber auch weniger rekrutiere­n.

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