«Kinder wissen früh, ob sie sich im Körper wohlfühlen»
BERN. Schon 16-Jährige legen sich auf den OPTisch, weil sie im falschen Körper geboren sind.
Manuel W.* (19) war einst ein Mädchen. Seit Oktober 2018 macht er aber eine Hormontherapie, seither legt er an Muskeln zu und hatte den Stimmbruch. Die Geschlechts-OP ist geplant. «Ich hätte das gern schon viel früher gemacht», sagt er (siehe unten).
Wie Manuel äussern immer mehr Kinder und Jugendliche den Wunsch nach einer Geschlechts-OP. Bei einigen erfüllt sich der Wunsch noch vor dem 18. Geburtstag. So fanden 2017 laut einer Analyse der Spitaldatenbank Swiss DRG solche Eingriffe in 14 Fällen bei Minderjährigen statt.
Dass die Nachfrage nach solchen Operationen bei jungen Patienten zunimmt, beobachtet auch David García Núñez, Leiter des Schwerpunkts für Geschlechtervarianz am Unispital Basel. «Da sich die Geschlechteridentität zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr ausbildet, wissen Kinder schon sehr früh, ob sie sich in ihrem Körper wohlfühlen.» Da das chirurgische Team am Unispital auf Erwachsene ausgelegt sei, operiere man nur in Ausnahmefällen Minderjährige. «Die Nachfrage wäre aber da.» Auch Psychologe Udo Rauchfleisch behandelt vermehrt Kinder, die sich nicht mit dem Geburtsgeschlecht identifizieren können. Die Jüngste sei mit fünf Jahren im Kindergartenalter gewesen. «In offenen Familien trauen sich Kinder öfter, ihren Eltern davon zu erzählen.» Um den Kindern mehr Zeit zu geben, setze man manchmal bei Betroffenen bis zum 16. Lebensjahr medikamentös die Pubertät aus.
Kritisch sieht den Trend Ethikerin Ruth Baumann Hölzle: «Es ist bewiesen, dass die Pubertät bei Kindern und Jugendlichen die Urteilsfähigkeit hinsichtlich der eigenen Körperwahrnehmung einschränken kann.» Minderjährige müssten vor Entscheidungen geschützt werden, die sie später bereuen könnten.
*Name der Redaktion bekannt