Abstimmung ungültig: Streit um Heiratsstrafe neu entfacht
LAUSANNE. Erstmals in der Geschichte der Schweiz wird eine Abstimmung annulliert. Die Reaktionen.
Die Abstimmung von 2016 über die CVPInitiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe muss wiederholt werden: Das Bundesgericht hat gestern eine Beschwerde gutgeheissen und erstmals eine Abstimmung auf Bundesebene für ungültig erklärt. Der Grund: In den Abstimmungsunterlagen hatte der Bundesrat mit falschen Zahlen operiert. Nicht wie angegeben 80000, sondern rund 454000 ZweiverdienerPaare zahlen mehr Steuern, nur weil sie verheiratet sind. Die Initiative wurde mit 50,8 Prozent Nein äusserst knapp abgelehnt.
CVPPräsident Gerhard Pfister ist erleichtert über den Entscheid der Lausanner Richter: «Das ist wichtig, damit das Vertrauen in die direkte Demokratie wiederhergestellt wird.» Man könne annehmen, dass das Volk ohne die Fehlinformation zugestimmt hätte. Die SVP dagegen warnte, dass Richter künftig nicht nur über Zahlen, sondern auch «falsche» Argumente urteilen könnten. Damit könnten sie Volksentscheide aushebeln.
Am meisten zu reden gibt nach der Annullation der Abstimmung aber ein Passus im Text der CVPInitiative: Dort wird die Ehe definiert als «auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau». Komme die Definition in der Verfassung, werde die HomoEhe verunmöglicht, warnten die Gegner schon 2016. Schwulenund Lesbenorganisationen fordern nun, dass die Abstimmung nicht einfach wiederholt wird. Vielmehr soll das Parlament die Initiative erneut behandeln. So könne die «rückständige» Ehedefinition gestrichen werden, schreibt Pink Cross. Auch CVPChef Pfister will, dass die Initiative erneut ins Parlament kommt. «Uns ging es immer nur um die Beseitigung der Heiratsstrafe.»