«Ich starrte sie an und fragte mich: Hat mein Baby ein Koboldgesicht?»
ZÜRICH. Als Melanie erfährt, dass ihr Baby geistig behindert ist, bricht ihre Welt zusammen.
Bei Emmas Geburt im Juni 2018 ahnt niemand etwas. Doch nachdem die Kinderärztin auffällige Herzgeräusche festgestellt hat, liefert ein Gentest die Gewissheit: Emma leidet am seltenen Williams-BeurenSyndrom (WBS). Nur eines von 20000 Kindern ist davon betroffen. «Ich bin zusammengebrochen. Ich hatte so viele Zukunftsängste! Wird Emma je selbstständig leben können?», sagt Mutter Melanie.
WBS-Kinder sind geistig behindert und haben Elfen- oder Koboldgesichter: breite Stirn, flacher Nasenrücken, kleine Zähne und ein pralles Aussehen um die Augen. «Ich habe mein Kind angestarrt, mir überlegt, ob es diese Charakteristika hat oder nicht. Rückblickend war das doof. Diese Zeit gibt mir niemand zurück», so Melanie.
Die 32-Jährige verheimlicht nicht, dass sie vielleicht abgetrieben hätte, wenn sie in der Schwangerschaft vom Gendefekt gewusst hätte. «Jetzt, wo ich Emma kenne, ist die Antwort klar: Niemals!»
Heute ist Emma zehn Monate alt. Sitzen kann sie noch nicht, Entwicklungsverzögerungen sind bei WBS typisch. Je älter die Kleine wird, desto auffälliger werden die Unterschiede zu ihren Gspänli.
Melanie betont die Stärken: «WBS-Kinder sind musikalisch und lernen oft früh lesen. Und sie sind sehr freundlich – auch zu Fremden.» Das macht der Mutter Angst: «Wir müssen ihr eintrichtern, dass es nicht alle Menschen gut meinen.» Doch sie ist zuversichtlich: «Ich bin sicher, eines Tages wird Emma laufen und mit dem Velo durch die Gegend kurven.»