Wie viel ist ein Mensch in der Arbeitswelt wert?
Vincent Lindon in einer Paraderolle als Gewerkschafter im «Krieg».
Ja, Sie haben richtig gelesen. Das Drama «En guerre» zeigt die heutige Arbeitswelt als Kriegsschauplatz. So beschliessen jedenfalls 1100 Angestellte unter ihrem Wortführer Laurent Amédéo (Vincent Lindon), in den Streik zu treten. Sie haben null Verständnis für die Entscheidung des Managements von Perrin Industries, die örtliche Fabrik zu schliessen – gerade wegen bereits erfolgter finanzieller Einbussen seitens der Belegschaft, haufenweise falscher ChefVersprechungen und Rekordgewinnen für die deutschen Besitzer.
Zum Glück betreibt der Regisseur Stéphane Brizé in seinem Gewerkschaftsdrama keine simple Schwarz-WeissMalerei. Auch das Management steht unter ökonomischem Druck. Und manch Streikender überlegt sich früher oder später, den Widerstand aufzugeben und sich mit einer Abfindung abspeisen zu lassen, um die Familie wenigstens für ein paar Monate durchzubringen. Inmitten des ganzen Hickhacks steht der Schauspieler Vincent Lindon, der schon im thematisch ähnlichen Brizé-Drama «La loi du marché» die Hauptrolle spielte. Verkörperte er dort einen arbeitslosen Mitfünfziger, so kniet er sich hier regelrecht in die Figur eines Gewerkschafters, der für die Rechte der Arbeitnehmer sein letztes Hemd hergeben würde.
Im Zusammenspiel mit haufenweise Laiendarstellern ergibt sich so ein packendes Gesellschaftsdrama, das dank unmittelbarer Inszenierung immer mehr in seinen Bann zieht. Schön, dass es den Filmemachern letztlich nicht um reisserische Agitprop oder eine Revolution um jeden Preis geht, sondern um eine gekonnte Auseinandersetzung mit der heutigen Arbeitswelt, die im heutigen Frankreich vom Widerstand der Gelbwesten geprägt ist. Nicht verpassen.