Firmen lassen Bewerber viel zu lange zappeln
ZÜRICH. Firmen lassen Jobsuchende häufig zappeln. Kandidaten hätten eine Zu- oder Absage innert 24 Stunden verdient, sagt ein Kritiker.
Rund 200 Bewerbungen verschickte Sara Ulmann letztes Jahr. «Zwei Drittel der Firmen antworteten mir überhaupt nicht.» Das sei ihr an die Substanz gegangen (siehe rechts). Dass potenzielle Arbeitgeber ihre Bewerber ghosten, sich also nicht melden, kritisiert Fabian Dütschler, Geschäftsführer der IT-Personaldienstleistungsagentur One Agency, im «Swiss IT Magazine»: «Es kann nicht sein, dass ein Bewerber nach sieben Tagen immer noch keine Antwort erhalten hat.» Zu 20 Minuten sagt er: «Wenn Firmen ihre Kandidaten wie nach einem Date ghosten, können hohe und falsche Erwartungen entstehen, die in einer grossen Enttäuschung enden.» Er fordert, dass sich Jobinserenten innerhalb von 24 Stunden mit einer Zu- oder Absage melden. Dafür müsse sich das HR-Personal diszipliniert um Bewerbungen kümmern. Personalexperte
Michel Ganouchi sagt: «Dieses unsägliche Verhalten ist seit Jahren bekannt und hat trotzdem nicht abgenommen.»
Beim Dachverband HR Swiss heisst es, das Verhalten sei «nicht korrekt». Spätestens nach zwei Wochen sollten Bewerber eine Rückmeldung erhalten. Die Funkstille gebe den Bewerbern keine Wertschätzung und vermittle das Gefühl, nicht gebraucht zu werden. Die Ignoranz fällt aber mittlerweile auch auf die Firmen zurück: Bewerber rächen sich ebenso mit Ghosting. Viele Jobsuchende würden sich gleich an mehreren Orten parallel bewerben, sagt Personalexperte Jörg Buckmann. «Wenn es dann an einem Ort klappt, dann bringen einige nicht mehr die Höflichkeit auf, den anderen Firmen abzusagen.» Dieses Verhalten sei auch eine Retourkutsche.
BETTINA ZANNI/DOMINIC BENZ
«Wenn Firmen ihre Kandidaten ghosten, können falsche Erwartungen entstehen, die in Enttäuschung enden.» Fabian Dütschler Geschäftsführer der IT-Personaldienstleistungsagentur One Agency