«Bimbo für alle»: Junge klagen über ihre Lehre
ZÜRICH. Einige Jugendliche bekommen beim Schnuppertag ein unrealistisches Berufsbild geboten. Leser erzählen von ihren Erfahrungen.
Jeder fünfte Lernende löst seinen Lehrvertrag frühzeitig auf. Viele beklagen sich, am Schnuppertag ein unrealistisches Berufsbild vermittelt bekommen zu haben. Raphael (22) sagt, er habe sich in der Lehre als Bimbo für alle gefühlt. «Wenn Unternehmen Mühe haben, Bewerber zu finden, spielen sie oft nicht mit offenen Karten», bestätigt die Gewerkschaft Unia.
Obwohl am Schnuppertag noch alles cool und spannend erschien, sind einige Jugendliche nach wenigen Monaten in der Lehre ernüchtert. Den Job hatten sie sich nach dem Reinschnuppern ganz anders vorgestellt. So berichten Leser, sie hätten ein vollkommen unrealistisches Berufsbild vermittelt bekommen. Norina (16) zählt zu den rund 21 Prozent, die vorzeitig aus ihrem Vertrag ausgestiegen sind. Die Schnupperzeit sei um einiges besser gewesen als die eigentliche ElektronikerLehre. «Sie haben mir nur die einfachste Aufgabe gezeigt: das Löten. Doch das kommt im Beruf kaum vor.» Gefragt seien vor allem Programmieren und Konstruieren. Nun hat sie die Lehre geschmissen und macht das KV. Ähnlich erging es auch Raphael: «Ich habe meine Lehre als Fachmann Gesundheit im ersten Lehrjahr abgebrochen. Wenn man merkt, dass es nur noch ums Füdliputzen geht, dann macht der Job einfach keinen Spass mehr.» Er habe jeden Morgen je fünf bis sieben Menschen waschen, duschen und pflegen müssen, so der 22Jährige. Der Stress und der Druck seien enorm gewesen. «Ich war der Bimbo für alle.»
Andere bleiben in der Lehre und leiden. Hannah (17) ist so jemand: «Beim Schnuppern musste ich kreative Aufgaben erledigen, etwa Flyer oder Visitenkarten erstellen. Jetzt mache ich die Lehre als Polygrafin und muss hauptsächlich nur mit Daten hantieren.» Sie habe sogar dreimal in ihrem vermeintlichen Traumberuf als Polygrafin geschnuppert. Dass die Lehre an sich nicht kreativ sei, habe man ihr bei allen Schnupperterminen verschwiegen.