«Auch harmlose Ängste können zu Problem werden»
ZÜRICH. Angststörungen machen Betroffenen das Leben zur Hölle. Fachpsychologe Christoph Flückiger spricht über Ursachen und Therapien.
Welches ist der krasseste Fall, mit dem Sie je zu tun hatten? Die krassesten Fälle sind jene, bei denen die Leute äusserlich gut funktionieren, aber innerlich ein riesiger Leidensdruck besteht. Etwa wenn ein KMUDirektor zu mir kommt, der beruflich perfekt funktioniert – aber wahnsinnig Angst hat, auch nur den kleinsten Fehler zu machen, und diese Sorgen nicht stoppen kann.
Wann wird eine Angst oder Phobie zur Krankheit? Entscheidend ist der starke subjektive Leidensdruck, wenn der Betroffene jeden Tag konfrontiert ist mit der Angst und diese den Alltag spürbar einschränkt. Die Angststörung wird behandlungswürdig, wenn sie eine Zentralität bekommt im Leben und – ganz wichtig – sich nicht mehr stoppen lässt. Dann können auch grundsätzlich weniger gravierende Ängste zum ernsten Problem werden. Etwa wenn ein Flight-Attendant Flugangst entwickelt.
Haben sich die Angststörungen im Verlauf der Zeit verändert? Ich denke nicht. Aber sie werden heute besser erkannt. Angststörungen sind inzwischen weniger tabuisiert. Laut Studien entwickeln zwei von zehn Leuten in ihrem Leben mindestens einmal eine Angststörung. Diese sind meistens chronisch. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Sind die Heilungschancen gut? Bei professioneller Psychotherapie, zumeist kognitiver Verhaltenstherapie von gut geschulten Leuten, sind sie sehr gut. Medikamente werden auch eingesetzt, allerdings sind die Nebenwirkungen teilweise gross. Einige Medikamente gegen Ängste machen süchtig. Dadurch muss bei der Mehrzahl meiner Patienten viel Zeit ins Absetzen dieser oft vom Hausarzt verschriebenen Medikamente investiert werden.