Dignitas-Gründer Minelli hält ganzes Gericht für befangen
ZÜRICH. Ludwig A. Minelli stand gestern wegen Verleumdung vor dem Obergericht. Im Gegensatz zur ersten Instanz wählt er eine neue Taktik.
Das Zürcher Obergericht musste sich gestern mit Ludwig A. Minelli, dem Gründer der Sterbehilfeorganisation Dignitas, auseinandersetzen. Der Fall geht auf den Regierungsrats-Wahlkampf 2015 zurück. Unter dem Titel «Diese Frau möchte Ihnen Ihre Mündigkeit absprechen» landeten Flyer in 745 247 Haushalten. Gemeint war die heutige Bildungsdirektorin Silvia Steiner (CVP). Der Vorwurf an Minelli: Verleumdung. Beim Prozess am Bezirksgericht 2018 hatte Minelli zugegeben, der Verfasser zu sein, der Inhalt sei aber keine Verleumdung. Er wurde zu einer bedingten Geldstrafe, einer Busse und einer Genugtuung für Steiner verurteilt.
Vor Obergericht verfolgte der Dignitas-Gründer gestern eine andere Strategie: «Ich habe das nicht verfasst.» Er kenne den Urheber nicht und müsse freigesprochen werden. Zu einem Urteil kam es aber nicht: Der 86-Jährige hält das gesamte Gericht für befangen und forderte, dass es in den Ausstand tritt. Seine Kritik begründete er mit der fehlenden Neutralität der Richter. Diese würden alle einer Partei angehören und somit zum parteipolitischen System gehören. Privatklägerin Steiner habe in einem bürgerlichen Ticket Wahlkampf gemacht. Dazu würden auch die Gerichtsmitglieder gehören.
Ob das Obergericht vom Fall abgezogen wird, muss nun das Bundesstrafgericht
in Bellinzona entscheiden. Doch selbst wenn das passiert, ist offen, welches Gericht dann über Minelli entscheiden soll. Denn: Auch bei ausserkantonalen Gerichten sind die meisten Richter in einer Partei.