«Von der Türkei lassen wir uns nicht noch einmal vertreiben»
QAMISHLI. Vor dem syrischen Bürgerkrieg lebten 20 000 Christen im Khabur-Tal. Heute sind es noch um die 1000. Dem Vorrücken der Türkei sehen sie mit Angst entgegen.
«Die Türkei ist unser natürlicher Feind», sagt Wael (30). Der Christ aus Tel Tamr erinnert an Sayfo, den Genozid an den Assyrern im Ersten Weltkrieg. Später erhielten die Christen vom Völkerbund in Genf ein neues Siedlungsgebiet: das Khabur-Tal. Vor dem Bürgerkrieg lebten hier rund 20 000 Christen. Jetzt sind es noch um die 1000. Nun fürchten sie ihre gänzliche Vertreibung.
Das christliche Dorf Tel Taweel am Eingang des Tals steht seit Tagen unter Beschuss. Die Bewohner sind wie schon so viele aus den christlichen Dörfern in diesem Gebiet geflohen: vor vier Jahren vor dem IS und jetzt vor der türkischen Armee, die entlang der syrisch-türkischen Grenze einen «Sicherheitskorridor» schaffen und die Kurdenmiliz YPG vertreiben will. Dafür setzt Ankara auf Milizen der Syrischen Nationalen Armee (SNA), Gruppierungen von radikalen Islamisten. Diese testen die Grenzen der «Sicherheitszone» gegen Süden und dringen dabei immer tiefer in die Siedlungsgebiete der Assyrer und Armenier auch ausserhalb der Zone ein.
Dem türkischen Vordringen stellen sich syrische Regierungstruppen und Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) entgegen, aber auch christliche Selbstverteidigungseinheiten wie die Sutoro-Miliz. Deren Vorbild ist Johan Cosar, ein Schweizer Unteroffizier mit assyrischen Wurzeln, der im Kampf gegen den IS eine Führungsrolle bei dieser Miliz hatte. Auch Wael aus Tel Tamr hat sich einer christlichen Miliz angeschlossen. «Tel Taweed ist derzeit die letzte Position der Christen im Khabur-Tal», sagt er. «Für sie kämpfen wir. Bis zuletzt, wenn es sein muss. Noch einmal lassen wir uns von der Türkei nicht vertreiben.»