«Die Verhaltenssüchte verstärken sich momentan»
Die seelischen Belastungen sind zurzeit hoch. Ein Psychiater erklärt, wieso vermehrt Trost in Lastern gesucht wird – und was hilft.
Herr Butzke, das Leben vieler spielt sich derzeit daheim ab, mit regelmässigen Gängen zum Kühlschrank. Woher kommt die permanente Snacklust?
Oft ist Stress die Ursache. Angst vor Ansteckung, Zukunftsängste, Kinderbetreuung: Dieser Stress äussert sich auch in körperlicher Anspannung, die durch Stresshormone vermittelt wird. Ein einfaches Mittel zur Beruhigung ist Essen.
Wie kann man die Snacklust in den Griff bekommen?
Menschen,
die
momentan dem Kühlschrankinhalt kaum widerstehen können, rate ich, bereits nach dem Aufstehen einen Mahlzeitenplan zu erstellen. Das hilft auch bei der Tagesstrukturierung und einer ausgewogenen Ernährung. Den Körper in einen wiederkehrenden Rhythmus von Tagesstruktur und Mahlzeiten zu bringen, kann aufkommende Panik beruhigen.
Was sind neben Snacken oder auch Sport andere Verhaltensmuster, die nun ungesund werden können?
Häufig nutzen wir unsere Laster, um negative Gefühle zu vermeiden: Alkohol, Shoppen, Porno. Diese Verhaltenssüchte können sich momentan verstärken, als Lösungsversuch für den vermehrten Stress. Aber auch
andere
Zustände, die mit Sorgen einhergehen, können zunehmen: Depressionen, Ängste, Süchte bis hin zu Psychosen.
«Ich will etwas Süsses», «Mir ist alles zu viel», «Ich sollte Sport machen»: Was hilft gegen das ständige Gedankenkarussell?
Setze dir konkrete Ziele: Vielleicht nutzt du die auferlegte Isolation, um Tagebuch zu schreiben oder etwas Neues zu lernen. Versuche, dich nachhaltig zu beruhigen, anstatt impulsiv zu handeln. Spaziergänge in der Natur oder auch das Rückbesinnen auf Bücher ohne Bezug zur Corona-Krise können jetzt helfen.