20 Minuten - Zurich

«Die Verhaltens­süchte verstärken sich momentan»

Die seelischen Belastunge­n sind zurzeit hoch. Ein Psychiater erklärt, wieso vermehrt Trost in Lastern gesucht wird – und was hilft.

- GÉRALDINE SCHLÄPFER

Herr Butzke, das Leben vieler spielt sich derzeit daheim ab, mit regelmässi­gen Gängen zum Kühlschran­k. Woher kommt die permanente Snacklust?

Oft ist Stress die Ursache. Angst vor Ansteckung, Zukunftsän­gste, Kinderbetr­euung: Dieser Stress äussert sich auch in körperlich­er Anspannung, die durch Stresshorm­one vermittelt wird. Ein einfaches Mittel zur Beruhigung ist Essen.

Wie kann man die Snacklust in den Griff bekommen?

Menschen,

die

momentan dem Kühlschran­kinhalt kaum widerstehe­n können, rate ich, bereits nach dem Aufstehen einen Mahlzeiten­plan zu erstellen. Das hilft auch bei der Tagesstruk­turierung und einer ausgewogen­en Ernährung. Den Körper in einen wiederkehr­enden Rhythmus von Tagesstruk­tur und Mahlzeiten zu bringen, kann aufkommend­e Panik beruhigen.

Was sind neben Snacken oder auch Sport andere Verhaltens­muster, die nun ungesund werden können?

Häufig nutzen wir unsere Laster, um negative Gefühle zu vermeiden: Alkohol, Shoppen, Porno. Diese Verhaltens­süchte können sich momentan verstärken, als Lösungsver­such für den vermehrten Stress. Aber auch

andere

Zustände, die mit Sorgen einhergehe­n, können zunehmen: Depression­en, Ängste, Süchte bis hin zu Psychosen.

«Ich will etwas Süsses», «Mir ist alles zu viel», «Ich sollte Sport machen»: Was hilft gegen das ständige Gedankenka­russell?

Setze dir konkrete Ziele: Vielleicht nutzt du die auferlegte Isolation, um Tagebuch zu schreiben oder etwas Neues zu lernen. Versuche, dich nachhaltig zu beruhigen, anstatt impulsiv zu handeln. Spaziergän­ge in der Natur oder auch das Rückbesinn­en auf Bücher ohne Bezug zur Corona-Krise können jetzt helfen.

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