Vorwürfe gegen Agent: «Niemand traute sich, etwas zu tun»
ZÜRICH. Über ein Dutzend Männermodels sagen, sie seien von einem Zürcher Agenten belästigt worden. Eine Psychologin findet es wichtig, dass sie an die Öffentlichkeit gehen.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft ermittelt nach einer Anzeige gegen Modelagentur-Inhaber D.L.* wegen Verdachts auf sexuelle Belästigung. Auch auf Social Media und gegenüber 20 Minuten erheben immer mehr Männermodels den Vorwurf, L. sei übergriffig geworden. 20 mutmassliche Opfer haben sich in einer Whatsapp-Gruppe organisiert und beabsichtigen, Anzeige zu erstatten.
In der Modebranche sollen die Vorwürfe schon länger bekannt gewesen sein, sagt ein Fotograf. «Es hat sich aber niemand getraut, etwas zu tun. Es ist ein Wunder, dass es nicht früher an die Öffentlichkeit gekommen ist.» Er habe verschiedenen mutmasslichen Opfern geraten, zur Polizei zu gehen. Auch Zineta Blank, Ex-Model und Gründerin der Modelagentur Visage International Management, sagt, ihr seien immer wieder Gerüchte über D.L. zu Ohren gekommen. «Sollte es zu Übergriffen auf Minderjährige gekommen sein, wäre das besonders verwerflich.» Diese verdienten besonderen Schutz: «Wenn man mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, ist man als Agentur nicht nur für ihre Karriere zuständig, sondern gleichzeitig auch Vertrauensperson.» Diese Machtposition dürfe nie ausgenutzt werden. Brigitte Gschwend von der Beratungsstelle Opferhilfe in Bern sagt, dass sich bei grossem Machtgefälle die Frage stelle, was eine Person zu verlieren hat, falls sie sich an die Polizei wendet: «Wenn ein Karrieresprung auf dem Spiel steht, entscheiden sich viele für das Schweigen. Dies geschieht in der Modelbranche immer wieder. Bis jetzt haben die Männer geschwiegen – es scheint, dass jetzt einige das Schweigen brechen wollen.» Diese Entwicklung halte sie für sehr wichtig und wertvoll.