Hohe Corona-Fallzahlen: Ist die zweite Welle jetzt da?
ZÜRICH. Die Corona-Fallzahlen in der Schweiz explodieren, in den Spitälern ist es aber nach wie vor vergleichsweise ruhig. Die wichtigsten Antworten.
Ist die zweite Welle jetzt da?
Laut der Epidemiologin Olivia Keiser von der Uni Genf gibt es keine allgemeingültige Definition einer Welle. In manchen Regionen Europas gebe es diese Wellenbewegung. «In der Schweiz kann man regional von einer zweiten Welle sprechen.»
Trotzdem ist die Zahl der Hospitalisierungen und Todesfälle derzeit eher tief. Weshalb?
«Zurzeit infizieren sich noch vermehrt junge Menschen. Sie müssen weniger oft hospitalisiert werden und sterben seltener am Virus», sagt die Basler Epidemiologin Emma Hodcroft. Hospitalisierungen und Todesfälle seien jedoch nicht die einzigen negativen Folgen: «Auch Jüngere können wochenlang krank sein, und über die langfristigen Auswirkungen von Covid-19 wissen wir noch wenig.»
Wie unterscheidet sich die jetzige Situation von der ersten Welle im Frühling?
Im Frühling zeigten verhältnismässig mehr positiv Getestete schwere Verläufe. Laut Keiser ist die Testsituation heute eine andere als im Frühling, als sich junge Menschen mit Symptomen in Selbstisolation begeben mussten, ohne einen Test zu machen. Diese tauchten in der Statistik gar nicht auf.
Steigt die Anzahl positiv Getesteter, weil mehr getestet wird?
Hier ist die Positivitätsrate zu beachten, die ebenfalls steigt: Zwischen Mitte August und Anfang September fielen jeweils zwischen 2,9 und 4,2 Prozent der Tests positiv aus. Seit Anfang Oktober steigt die Positivitätsrate. Gestern lag sie bei 7,1 Prozent. Der Höchstwert Ende
«Durchseuchung oder Lockdown – beides ist inakzeptabel»
März betrug 19,4 Prozent.
Ist das Virus weniger tödlich geworden?
Nein. Hodcroft sagt: «Es gibt keine Anzeichen, dass das Virus, das jetzt umgeht, sich vom
Herr Eggimann, gestern meldete das BAG erstmals wieder über 1000 Corona-Fälle innert 24 Stunden. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Der Anstieg bereitet mir Sorgen. Die Fallzahlen steigen in fast allen Regionen der Schweiz. Verglichen mit Spanien oder Frankreich, sind wir immer noch in einer vorteilhaften Position. In Paris etwa sind schon 40 Prozent der Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt. Das gilt es zu verhindern.
Mit 1000 Fällen pro Tag kommt das Contact-Tracing an die Grenzen. Muss sich die Schweiz von der sogenannten Containment-Strategie verabschieden, also nur noch die Risikogruppen schützen?
Nein, im Gegenteil. Das Contact-Tracing ist effizient. Wenn
Virus im Frühling unterscheidet. Es ist weder schwächer noch weniger gefährlich.»
Werden die Hospitalisierungsund Todeszahlen hierzulande ebenfalls ansteigen?
die Epidemie ausser Kontrolle gerät, gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: einen neuen Lockdown oder eine massive Durchseuchung. Beides ist inakzeptabel.
Davon ist laut Hodcroft – auch mit Blick auf andere europäische Länder – auszugehen, sofern die Fallzahlen nicht wieder sinken.