Corona-Explosion: Ist Bundesrat «planlos»?
BERN. Keine Sofortmassnahmen, dafür Appelle: Politiker kritisieren den «planlosen» Auftritt der Regierung und der Kantone.
«Es ist fünf vor zwölf», sagte Simonetta Sommaruga gestern in Bern, Alain Berset nannte die hohen Fallzahlen «beunruhigend». Eine neue Strategie präsentierte die Regierung jedoch nicht – die Kantone sollen es weiterhin richten. Das sorgt für heftige Kritik: Politiker werfen dem Bundesrat vor, für die zweite Welle nicht bereit gewesen zu sein und keinen Plan zu haben.
«Es ist fünf vor zwölf», sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga gestern an der Medienkonferenz des Bundesrats zur CoronaLage. Was sich nun sofort ändern müsse, sei, dass sich alle wieder an die Grundregeln von Händewaschen, Distanzhalten und Maskentragen hielten. Bund und Kantone seien sich einig: «Wir bleiben bei der besonderen Lage.» Die Kompetenz für die meisten Massnahmen haben weiterhin die Kantone.
Diese Taktik stösst bei Experten auf Unverständnis. Die Genfer Virologin Isabella Eckerle etwa twitterte: «Es braucht jetzt ganz dringend koordinierte, sofortige, schweizweite Massnahmen! Sonst stehen wir bald sehr, sehr schlecht da.»
Auch Politiker geizen nicht mit Kritik. So sagt GLPNationalrat Martin Bäumle: «Offenbar befindet man sich immer noch im Schlafmodus und hat das Gefühl, man habe noch beliebig Zeit.» Für Ruth Humbel, CVPNationalrätin und Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission, zeigt die «planlose» Pressekonferenz, dass Bund und Kantone in die zweite Welle ohne grosse Vorbereitung hineingeschlittert sind. «Man hätte erst kommunizieren sollen, wenn man sich zu minimalen Massnahmen wie einer nationalen Maskenpflicht durchringen konnte.» Und SPNationalrätin Yvonne Feri sagt: «Bund und Kantone müssen jetzt noch vor dem Wochenende sagen, wie es weitergeht.» Die Leute seien verunsichert und wünschten sich vom Bund eine klare Kommunikation.
Dass die Kantone nun zuwarteten in einer Lage, wo jeder Tag zähle, lässt der oberste Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger nicht gelten: «Wir reagieren jetzt rasch im Dialog zwischen Bund und Kantonen, um einen zweiten Lockdown zu verhindern.»
«Bund und Kantone müssen jetzt noch vor dem Wochenende sagen, wie es weitergeht.»
Yvonne Feri
SP-Nationalrätin